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Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition)
Autoren: Jørn Lier Horst
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fit?«
    »Er sitzt im Arrest. Eine Streife hat ihn vor einer Stunde aus dem Krankenhaus abgeholt.«
    »Will er reden?«, fragte Christine Thiis.
    »Mit Wisting«, gab Hammer zurück.
    Die Polizeijuristin blickte Wisting an. »Willst du das?«
    Wisting überlegte. In seinem Job als Ermittler hatte er mit vielen Menschen geredet, die schwere Verbrechen begangen hatten. Hatte neben ihnen gesessen und sie erzählen lassen. Viele Einsichten, die er aus diesen Gesprächen gewonnen hatte, hatten ihn auch besser verstehen lassen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Er hatte begriffen, dass alle Menschen in ihrem Innersten Angst davor hatten, allein zu sein. Dass sie sich vor der Einsamkeit fürchteten. Dass alle das Bedürfnis nach einem anderen Menschen hatten, der ihnen zuhörte. Haglund hatte siebzehn Jahre mit seinen Geheimnissen im Gefängnis gesessen. Niemand war dazu geschaffen, so etwas zu ertragen. Und auch Haglund hatte das Bedürfnis, seine intimsten Gedanken mit jemandem zu teilen. Dass er nun über etwas reden wollte, das ihm einen weiteren langen Gefängnisaufenthalt bescheren würde, war der einfachen Tatsache geschuldet, dass sein Bedürfnis, angehört zu werden, die Angst vor den Konsequenzen seiner Aussage überwog.
    Wisting stand auf. Wenn Haglund mit ihm reden wollte, dann sollte er sich dazu bereit erklären. Nicht um seiner selbst willen oder um Haglund Erleichterung zu verschaffen, sondern um der Menschen zu gedenken, denen Haglund im Laufe seines Lebens Leid zugefügt hatte. Die niemals eine Antwort auf die Frage erhalten hatten, was eigentlich geschehen war.
    Vier Stunden später kam er wieder aus dem Vernehmungsraum. Er musste daran denken, wie er vor fast dreißig Jahren einmal einen ähnlichen Raum betreten hatte. Wie er sich bemüht hatte, zu einem Mann durchzudringen, der des Autodiebstahls verdächtig war, und sich Rat bei einem Kollegen geholt hatte, der erwiderte, dass man nicht lernen könne, wie ein Geständnis zu bekommen war. Man musste seinen eigenen Weg suchen, um dieses Ziel zu erreichen. Wisting hatte seinen Weg gefunden. Seine Methode bestand aus Sanftheit, Ruhe und Abwarten. Er konnte zuhören, ohne sich von seinen eigenen Emotionen leiten zu lassen, und schaffte es, sich stattdessen in die Gefühlswelt des anderen hineinzuversetzen und sogar Empathie zu zeigen.
    Gespannte Stille breitete sich aus, als er wieder in den Besprechungsraum zurückkam. Die ganze Abteilung saß da und wartete auf Antworten.
    »Und?«, fragte Hammer.
    Wisting nahm Platz und schob Christine Thiis das Vernehmungsprotokoll zu. Er hatte Haglund dazu gebracht, alles von Anfang an zu erzählen, ausgehend von dem Tag, als er Jonas Ravneberg bei einem Angelausflug kennengelernt hatte. Zwei Männer, die in ihrer Einsamkeit eine Art stillschweigende Freundschaft eingegangen waren. Das Verhör hatte mit Haglunds Bericht darüber geendet, wie er den Freund erschlagen hatte und dann später in ein Handgemenge mit Line geraten war, als er aus dem Reihenhaus kam, nachdem er vergeblich nach dem verräterischen Videofilm gesucht hatte.
    »In dem Sommer, als Cecilia verschwand, wohnte er mehr oder weniger auf Ravnebergs Hof«, begann Wisting. »Dort war es angenehm ruhig, so wie er es mochte. Ravneberg hatte eine Freundin und war die meiste Zeit bei ihr. Er reparierte das Dach oder beschäftigte sich mit Tischlerarbeiten in der Scheune oder anderen Dinge, die Ravneberg nicht selbst machen konnte. Er angelte im Fluss, benutzte den Räucherofen und passte auf ein paar Schafe auf, die Ravneberg damals auf dem Hof herumlaufen ließ.«
    »Und hielt gleichzeitig Cecilia im Keller gefangen«, warf Hammer ein.
    Wisting nickte. »Ravneberg kam nur sehr selten vorbei und dann immer zu festen Zeiten. Währenddessen knebelte er Cecilia oder fuhr sie in seinem Wagen so lange herum, bis er sie wieder einsperren konnte.«
    »So konnte sie dann auch irgendwann den Walkman aus dem Wagen werfen, nachdem sie auf Band gesprochen hatte, was passiert war.«
    »Als sein Auto gesucht wurde, hat er es in der Scheune versteckt. Eigentlich wollte er es später irgendwoanders hinbringen, wurde dann aber festgenommen, bevor er dazu kam.«
    »Aber Ravneberg muss den Wagen doch gefunden haben. Wieso hat er nie etwas gesagt?«
    »Er fand den Wagen mitsamt Cecilias Kleidern und der Videokamera. Irgendwann hat er auch die Initialen der beiden Mädchen an der Kellerwand entdeckt, hatte aber Angst, in irgendetwas hineingezogen zu werden. Haglund hatte seinen
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