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Jäger des Einhorns

Jäger des Einhorns

Titel: Jäger des Einhorns
Autoren: Hans Kneifel
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lassen, daß sich die Fremden in Sicherheit wiegten.
    Seine Falle würde sich in der verbleibenden Zeit öffnen.
    Und alle, an ihrer Spitze der vorwitzige Shallad aus dem Ostland Gorgan, würden in die weit geöffnete Falle tappen und dort umkommen.
    Er verschwendete keinen weiteren Gedanken an seinen toten Gefangenen und kehrte wieder an die Oberfläche zurück, dorthin, wo es Sonnenlicht gab.

6.
    Alle Brücken und Wege, sämtliche Straßen und Häuser quollen förmlich von Menschen über. Die Fähren fuhren ununterbrochen hin und her. Voll von Fremden aus der Umgebung, dem Delta und den anderen Küstenbereichen.
    Die Gebäude waren mit Zweigen und farbigen Tüchern geschmückt. Der Tag der Opferung und der Verkündung der Botschaften war gekommen. Die Stadt lag im ersten Sonnenlicht.
    Kleine und große Schiffe fuhren in die verschiedenen Hafenbecken ein und entließen ihre Mannschaften und die Gläubigen. Die Krieger der Calcoper waren unermüdlich unterwegs, in kleinen Gruppen oder einzeln, und viele von ihnen standen Spalier entlang der breiten, baumgesäumten Straßen. Yucazan war von dem Brausen und Brummen von Tausenden und aber Tausenden Stimmen erfüllt.
    Unruhe zeichnete auch die großen Flächen der mittleren Insel aus. Die Feuer der Leuchttürme erloschen. Schwarzer Rauch stieg aus den Flammenkörben fast senkrecht in den kühlen, strahlend blauen Himmel.
    Die Stufen und die langen Treppen des mittleren Tempels begannen sich mit Menschen zu füllen. In den Flanken der untersten Mauerabschnitte glitten riesige Steintafeln rumpelnd zur Seite. Licht fiel in die gewaltigen Innenräume. Die Calcoper drängten die Menschen zur Seite, die auf die Öffnungen zurannten. Ein gewaltiges Gedränge herrschte. Kommandos und Schreie waren zu hören, Flüche und die Litaneien der Betenden. In der riesigen Masse von schiebenden, stoßenden und drängenden Menschen entstand immer wieder eine schmale Gasse, schloß sich und öffnete sich wieder, wenn es den Kriegern und Magiern gelang, die Begeisterung der Menschen zu dämpfen.
    Hesert in seinem überaus schlichten Gewand, bedeckt vom schmutziggrauen Staub, wurde von Croz und Casay geführt. Die drei Männer waren von einem Kreis prächtig geschmückter Magier niedrigerer Ränge umgeben, diese wiederum von schwerbewaffneten Kriegern mit grimmigen Gesichtern und funkelnden Waffen. Sie gingen durch die Menschenmasse auf den Haupteingang des Tempels zu.
    Das Volk, das sich in der Opferhalle versammelt hatte, war sorgfältig ausgesucht worden. Breite Absperrungen aus Stein teilten die Menge der Wartenden in einzelne Blöcke ein. Einige Wege zum Opferstein waren ebenso frei wie andere Teile der Halle und der umlaufenden Empore. Vor den Öffnungen hatten sich dicke Trauben von Frauen und Männern gebildet.
    »Platz! Platz für den Luminaten aus Lyrland und seine Botschaft!« schrie Croz.
    Man brachte Hesert in die Mitte der großen Halle. Dort stand ein großes hölzernes Podest, dessen Seiten mit schweren Tüchern verhängt waren. Langsam kletterte Hesert die Stufen hinauf. Was er zu sagen hatte, jedes Wort davon, wußte er. In den vergangenen Tagen hatte er sich seine Botschaft immer wieder lautlos vorgesagt.
    Er breitete die Arme aus.
    Langsam kehrte Ruhe ein. Um das Podest stellten sich Calcoper auf. Die Magier machten Gebärden, von denen Stille und Aufmerksamkeit hervorgerufen werden sollte.
    Dann fing Hesert zu sprechen an. Er wunderte sich selbst, wie laut, eindringlich und glatt ihm die Worte von den Lippen kamen.
*
    Als Casson den Rand der Rampe erreichte, drehte er sich nur noch kurz um.
    Alle waren auf ihren Posten. Rauco stand inmitten der Flößer, und alle waren in die wartende Menge eingekeilt. Sie wechselten einige Verständigungszeichen, dann drangen Casson und seine Bewaffneten weiter vor. Nach einer Anzahl von Schritten sperrten die ersten Eisengitter den Gang. Zwei Krieger stürzten vor und rissen die Riegel zurück. Es waren keine Wachen zu sehen. Casson nahm den Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil auf die Sehne.
    »Weiter!« sagte er mit rauher Stimme.
    Sie waren dreißig Männer, zu allem entschlossen. Obwohl jeder von ihnen Heserts Zeichnung lange genug studiert und sich die Einzelheiten gemerkt hatte, setzte sich Casson an die Spitze und hob den Arm. Sie legten Schritt um Schritt den vorgezeichneten Weg zurück.
    Casson murmelte, während sie die ersten Flammen der Ölschalen passierten:
    »Jetzt beginnt Hesert wohl zu reden – und wo steckt
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