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Jäger des Einhorns

Jäger des Einhorns

Titel: Jäger des Einhorns
Autoren: Hans Kneifel
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Bäume auf einem schmalen Pfad zu einer schmalen, unauffälligen Treppe, die unter die Tempelpyramide hinunterführte. Hintereinander stolperten sie die ausgetretenen Steinstufen hinunter.
    Rauco schloß die Augen. Er sammelte sich und versuchte sich vorzustellen, wie er Kaizan entgegentreten konnte. Er fühlte, wie seine magischen Fähigkeiten, die er schon lange nicht mehr benutzt hatte, ihn erfüllten und ausfüllten und von Schritt zu Schritt stärker wurden. Als sie in einen kleinen Saal kamen, von dem aus drei Durchgänge und drei dahinterliegende Gänge abzweigten, lag ein kaltes, selbstsicheres Lächeln um seine Lippen.
    »Ich kenne die Kammer, in der Kaizan… er sitzt nur da und richtet seine Kräfte…«, lallte der Betrunkene und stolperte durch den mittleren Korridor weiter. Rauco schuf eine magische Illusion und erzeugte Bilder von Dutzenden Kriegern, die von Kopf bis Fuß in silberglänzendes Eisen gekleidet waren. Nach einigen Herzschlägen hörte er selbst, wie ein gräßliches Klirren den Gang erfüllte, und wie die Schritte immer schneller wurden. Er fing den Eindruck eines ersten, flüchtigen Erschreckens auf, das von Kaizan kam. Er war auf dem richtigen Weg, rannte los und versuchte, die wirkliche Macht des Dunkeljägers zu erkennen.
    Er hatte einen starken Eindruck: im Gesicht Kaizans begann das Geflecht zu glühen und rasend zu jucken. Eine Tür flog auf, von einem Fußtritt aufgesprengt. Mit einem langen Blick sah Rauco alles.
    Es war eine kleine, helle Kammer. Auf ihrem Boden zeichnete sich eine Art steinernes Labyrinth aus einzelnen Ziegeln ab. Kaizan stand zwischen den handbreiten Gängen und Korridoren, hielt ein Stück einer hellen Steinplatte in der Hand und drehte seinen Kopf. Er starrte die Eindringenden an. Er sah sich einer Schar neuer, entschlossener Gegner gegenüber. Als er seine Hand Hochriß, schuf Rauco zwischen sich und dem Gegner eine Illusion von großer Wirksamkeit, nämlich eine Schicht Rauch, der den Blick verdunkelte und die Sinne verwirrte.
    »Du bist auf einen Besseren getroffen!« sagte der Hexer von Quin drohend. »Du bringst mich und meine Freunde nicht auf den Opferstein, Kaizan!«
    Kaizan war hinter dem Nebel nur undeutlich zu erkennen. Das Aderngeflecht in seinem Gesicht wurde größer und pulsierte wie rasend. Er ließ den Steinbrocken fallen, er landete klirrend auf dem Boden. Die Krieger und Flößer umzingelten ihn. Er versuchte sich zu wehren, aber die Lähmung, die auf ihn eindrang und seinen Körper erstarren ließ, verhinderte, daß er sich rühren konnte. Sofort verstand Rauco, daß der Dunkeljäger von hier aus, indem er Steine aus den Linien des Labyrinths herausnahm und an anderen Stellen hinzufügte, den Zustand der Gänge veränderte. Jetzt, da er starr dastand, gelang es ihm nicht mehr.
    Zwischen Rauco und Kaizan tobte ein lautloser, aber erbitterter Kampf. Die Energien, die die beiden keuchenden Gegner gegeneinander schleuderten, waren nicht zu sehen.
    Plötzlich hob Kaizan beide Arme, senkte sie und deutete auf Rauco. Er ballte die Faust und versuchte, Rauco das Horn des Einhornrings entgegenzuschleudern, indem er sich vom Boden losschnellte und auf den Hexer stürzte. Aber eine unsichtbare Kraft ließ ihn straucheln. Er stolperte, drehte sich halb in der Luft und krümmte sich, während er fiel, zusammen. Er sackte zusammen und versuchte noch einmal, zu entkommen. Er kroch über den Boden, zermalmte dabei die Teile des verkleinerten Irrgartens und sackte nach drei, vier schleppenden Schritten kraftlos zurück.
    Dabei fiel er in seinen Ring, bohrte sich den schlanken, geschliffenen Dorn in die Brust und preßte das Gift in seinen Körper.
    Mit einem qualvollen Gurgeln starb Kaizan, der Dunkeljäger.
*
    Mitten in der knirschenden, rumpelnden Bewegung hielt die Steinplatte an. Casson sah einen flüchtigen Lichtschimmer, spürte auf seinem Gesicht einen frischen Luftzug und keuchte auf:
    »Da ist etwas geschehen. Ihr dürft mich nicht aus den Augen verlieren, Freunde.«
    Es ging um drei, vier Ecken, dann fanden sie sich vor dem blockierten Eisengitter, rannten weiter und stürmten aus der Dunkelheit der schrägen Rampe hervor ins Sonnenlicht.
    Casson sah einige Söhne des Floßvaters, winkte ihnen und deutete auf die Flüchtenden hinter ihm. Sie blinzelten mit tränenden Augen in der ungewohnten Helligkeit. Die Flößer handelten, wie es abgesprochen war. Jeder von ihnen verließ die Menschenmenge, ergriff einen der Seeleute und schob, zerrte und
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