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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht
Autoren: Wallace Hamilton
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Geräusch und dem Geruch. Fast befürchtete er, daß Dennis irgendeine Höllenmaschine hätte und ihre Kammer in die Luft flöge. Kevin setzte sich auf. «Dennis, was tust du?»
    Schweigen. Das Papierknistern hatte aufgehört.
    «Dennis?»
    «Ja?» antwortete eine verschlafene Stimme.
    «Was ist los?»
    «Nichts.»
    «Da stinkt doch was.»
    Ein schwerer Seufzer. «Schlaf weiter.» Die Worte waren gemurmelt.
    «Bist du krank, oder was ist los?»
    «Alles in Ordnung mit mir. Ich fühl’ mich wohl... einfach wohl.»
    «Biste betrunken?»
    Dennis kicherte. Es klang unheimlich in der Dunkelheit. Kevin hatte wieder das Gefühl von Furcht, aber diesmal kam Wut hinzu. Wer war denn dieses kleine Miststück, vorlaut und flippig, daß er mit ihm so ‘ne Art Blindekuh spielte und ihm Geheimnisse vorgaukelte, von denen Kevin sich gar nicht mal sicher war, daß er sie überhaupt wissen wollte.
    Er sprang aus dem Bett und lief durch die Kammer. Der Geruch wurde immer strenger, je näher er Dennis’ Bett kam. «Was hast’n da?»
    «Das geht dich ‘nen Dreck an.» Da war sie wieder, diese hohe und bestimmte, obgleich flüsternde Stimme.
    «Laß sehen», sagte Kevin leise.
    «Nein, nicht.» Dennis vergrub sich unter seiner Bettdecke.
    Als Kevin ihm die Decke mit einem Ruck wegzog, lag Dennis nackt vor ihm. Sein Körper zeichnete sich klar in dem dämmerigen Licht ab. In der einen Hand hielt Dennis dicht an seinem Körper eine kleine Papiertüte. In der anderen hatte er eine Spraydose.
    «Was zum Teufel...» Der Gestank machte Kevin förmlich krank.
    «Was ist das für ein Zeug?»
    «Farbe.»
    «Du willst doch nicht etwa malen?»
    «Nö.»
    «Was also dann?»
    «Ich schnüffle es in der Tüte. Das macht einen high.»
    «Du bist wohl nicht ganz bei Trost.»
    «Versuch’s.» Er hielt ihm die Tüte hin. «Mach schon.»
    «Nee. Und Jake wird dir den Arsch versohlen, wenn er dich mit so ‘nem Scheiß erwischt.»
    Dennis zog die Bettdecke unters Kinn. «Nix wird er mir tun, der Jake.»
    «Woher weißt du?»
    «Weiß ich eben», meinte Dennis vielsagend. «Ich kenne solche Typen und weiß, wie man mit denen umspringen muß.»
    «Wo hast du den Mist eigentlich her?»
    «Hab’ ich gekauft.»
    «Und wo hast du das Geld dafür her?»
    «Geld krieg’ ich immer, wenn ich’s brauche.»
    «So? Wie denn?»
    Stille. Kevin spürte, wie Dennis ihn ansah, und er fühlte sich unwohl dabei.
    «Laureldale ist ein Nichts. Du hast doch noch nie in der Stadt gelebt», sagte Dennis geringschätzig von oben herab.
    Kevin wurde sauer. «Laureldale ist ganz dufte. Besser als hier.»
    «So?» Dennis kicherte leise. «Du wirst es noch lernen.» Dennis stülpte die Tüte über Mund und Nase. Tief sog er die Dämpfe ein.
    Kevin ging zu seinem Bett, machte das Fenster weiter auf und legte sich wieder hin. Aber einschlafen konnte er immer noch nicht. Seine Gedanken schweiften zurück zu dem Bild von der Houghton Street, das er im Wartezimmer des Sozialamtes gesehen hatte. Er dachte an den Jungen in der Kutsche und stellte sich vor, jene Straße entlangzugehen, in die Kutsche zu steigen und sich neben den Jungen zu setzen. Er spürte förmlich die Wärme des anderen Körpers und die erfrischende Brise, die ihnen die rauschenden Blätter des schattenspendenden Baumes zufächelten. Er wußte, daß unter der altmodischen Kleidung des Jungen ein Körper wartete, genauso wie er den Körper von Dennis gesehen hatte, als er ihm die Bettdecke weggezogen hatte. Wenn er doch nur...
    «Hey, Dennis...»
    Nach langem Schweigen antwortete Dennis endlich aus seiner
    Ecke. «Ja?»
    «Das Zeug, das du da hast. Macht es dir schöne Träume?»
    «Manchmal.»
    «Macht es dir auch schöne Gefühle?»
    «Oh... einfach geil.»
    «Sicher?»
    «Garantiert.»
    Kevin dachte eine Weile nach. Dann stand er auf. «Laß mich mal versuchen.»
    «Wieso? Du warst doch stinksauer darüber.»
    Kevin hörte wieder das leise gespenstische Kichern in der Dunkelheit und dann ein langgezogenes «Okayyyy».
    Als Kevin sich dem Bett näherte, spürte er Dennis’ Augen auf
    sich gerichtet. Dann hörte er, als sei es die selbstverständlichste
    Sache der Welt, Dennis’ Stimme: «Lutschst du mir zuerst einen?»
    «Was lutschen?»
    «Meinen Schwanz.»
    «Vergiß es.»
    «Nun mach schon. Viele Typen tun’s, und ich steh’ drauf.»
    «Deinen Schwanz werd’ ich in hundert Jahren nicht lutschen.
    Und nun rück’ mit der Tüte rüber.»
    «Okayyyy.»
    Kevin nahm die Tüte, die Dennis ihm entgegenhielt.
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