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Jack Taylor liegt falsch

Jack Taylor liegt falsch

Titel: Jack Taylor liegt falsch
Autoren: Ken Bruen
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wäre es mir ernst damit. Im Jahre 91 war ich auf David Gates gestoßen, seinen ersten Roman Jernigan, kein Buch, das bei Süchtigen auf große Zustimmung gestoßen war. Der Ich-Erzähler ist versoffen, aggressiv, wahnsinnig. Von seiner eigenen Ironie gemartert, folgt er den Pfaden einer perversen Analyse. Das Buch beschreibt das Grauen der amerikanischen Vorstädte. Ich habe es ein paar Leuten geliehen, die es alle hassten. Ich fragte:
    »Und was ist mit dem Humor?«
    »Du bist ja genauso krank wie Jernigan.«
    Berechtigter Einwand. Doch die Revanche kam, als er für den Pulitzer-Preis nominiert wurde. Ich machte mich an die Lektüre seiner Kurzgeschichten, die unter dem Titel Wunder der unsichtbaren Welt versammelt sind. In »Star Baby« verlässt ein schwuler Mann die große Stadt, um in seinem Heimatkaff zu leben, wo er sich aber in der Rolle der Vaterfigur für den Sohn seiner auf Entzug befindlichen Schwester wiederfindet.
    »Meist drückt er sich, wenn er Deke in Restaurants mitnehmen soll, nicht wegen des ganymedischen Aspekts, sondern weil die beiden so allein auf der Welt wirken.«
    Ich fand »ganymedisch« ein sehr schönes Wort. Ein bisschen schwierig in die tagtägliche Konversation einzuflechten, aber man wusste ja nie. Die nächste Geschichte war »Der verrückte Gedanke«. Eine Frau vermisst ihre große Liebe und hadert mit dem Leben in der Großstadt und ihrem verbitterten Ehemann.
    »›John Le Carré ist doch gar nicht übel‹, sagte Paul. ›Den würde ich jedenfalls jederzeit eher lesen als den beschissenen John Updike. Wenn wir sowieso gerade von Schriftstellern sprechen, die John heißen.‹«
    Es klingelte an der Haustür. Ich sagte:
    »Scheiße.«
    Und stand auf, um aufzumachen. Zuerst erkannte ich ihn nicht, dann:
    »Kriminaldirektor Clancy.«
    Er war in Zivil, im Dreiteiler. Vor drei Jahren bei Penney’s der große Renner gewesen. Er fragte:
    »Darf ich reinkommen?«
    »Zeig erst mal den Durchsuchungsbefehl.«
    Sein Gesicht bewölkte sich, und ich sagte:
    »Quatsch. Komm rein.«
    Brachte ihn in die Küche, fragte:
    »Kann ich dir was servieren?«
    »Tee, Tee wäre toll.«
    Er quälte sich auf den Stuhl, wie jemand, der sich jüngst am Rücken verletzt hat. Er sah sich in der Küche um, sagte:
    »Gemütlich.«
    Das, fand ich, erforderte keine Replik. Ich sah ihn mir genau an. Als ich ihn kennengelernt hatte, war er dünn wie ein Zahnstocher gewesen. Wir waren gute Freunde geworden. All das war lange her. Sein Bauch wölbte sich über der Hose. Speckrollen klemmten ihm fast die Augen zu, sein Gesicht war scharlachrot, und sein Atem ging schwer. Ich stellte ihm einen Pott Tee hin, sagte:
    »Kekse sind leider aus.«
    Er lächelte ein Wolfslächeln, sagte:
    »Man muss dir gratulieren.«
    »Zum akuten Keksmangel?«
    Schüttelte den Kopf, sagte:
    »Zu der Schwänekiste. Du bist Stadtgespräch.«
    »Da habe ich nur Glück gehabt.«
    »Die andere Kiste, das mit den Landfahrern, verfolgst du das noch immer?«
    »Nein, da bin ich nicht weitergekommen. Ein paar von deinen Burschen haben mich unlängst vermöbelt, haben gesagt, du hättest es befohlen.«
    »Ach, Jack, die neuen Jungs, neigen ein bisschen zum Übereifer.«
    »Also weshalb bist du hier?«
    »Rein privat. Wir kennen uns ja schon seit einer Ewigkeit.«
    Seit einer durchgehend miesen Ewigkeit. Er stand auf, hatte den Tee nicht angerührt.
    »Folgendes.«
    »Ach ja?«
    »Bill Cassell, unser schwerster Fall hier, da wärst du gut beraten, dich von ihm fernzuhalten.«
    »Ist das eine Warnung?«
    »Jack, du wirst verfolgungswahnsinnig. Nur ein Wort unter Freunden.«
    »Ich habe auch ein Wort für dic h … , ganymedisch. Schlag’s nach, es lohnt sich.«
    Als er das Haus verließ, glitt ein Auto heran, ein Polizist stieg aus und öffnete den hinteren Wagenschlag. Ich sagte:
    »Eindrucksvoll.«
    »Ein hoher Rang bringt Privilegien mit sich.«
    Ich starrte ihn so an und sagte:
    »Das sieht man; du bist ein Mann von Gewicht.«

I ch hatte wieder Derek Raymond gelesen und diese Stelle gesondert zur Kenntnis genommen:
    Die Oberschicht als letzter Dreck
    Mir scheint, egal, ob man heiratet, sich häuslich einrichtet, mit einer Mausi zusammenlebt oder nicht, irgendjemand hat es bestimmt auf einen abgesehen, wie Bomben im Krieg; und selbst wenn man die Betreffenden gar nicht so übermäßig schätzt, kann man nichts dagegen unternehmen – es sei denn, man wäre bereit, das Schicksal aus dem Dasein hinauszuargumentieren, was man wahrscheinlich könnte,
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