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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1
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erfahren, ob er jemand finden könne, der kürzlich gestorben wäre, damit er diesen an die Stelle des Entwendeten an den Galgen hinge.
    In der Abtei fand er eine Frau, jammernd mit zerrauften Haaren und aufgelösten Kleidern. Sie klagte sehr, war ganz trostlos und weinte um ihren teuren Gatten, der desselbigen Tages gestorben war. Der Ritter redete sie freundlich an und fragte: »Edle Frau, was ist das für ein Treiben?«
    Die Frau antwortete: »Ich liebte ihn so sehr, daß ich nie mehr Trost empfangen will; sondern in Klagen will ich meine Tage beschließen.«
    Da sagte der Ritter zu ihr: »Liebe Frau, wo ist Euer Witz? Wollt Ihr hier vor Schmerz umkommen? Durch Jammer und Tränen könnt Ihr den Toten doch nicht wieder ins Leben rufen. Welche Torheit ist es darum, Euch so zu gebärden! Macht es vielmehr so: Nehmt mich zum Mann! Ich bin unverheiratet. Und rettet mir dadurch mein Leben: denn ich bin in Gefahr und weiß nicht, wo ich mich verbergen soll. Ich habe nämlich auf Befehl meines Herrn einen Ritter bewacht, der gehenkt war, und die Leute seiner Familie haben mir ihn entwendet. Zeigt mir Rettung, wenn's Euch möglich ist: so will ich Euer Gatte werden und Euch in Ehren halten.«
    Sobald die Frau solches hörte, verliebte sie sich in diesen Ritter und sprach: »Ich will tun, was du mir gebietest; so groß ist die Liebe, die ich zu dir trage. Nehmen wir diesen meinen Gatten aus dem Grabe, bringen ihn hin und hängen ihn an die Stelle des Entwendeten!«
    Damit hemmte sie ihre Klage, half den Gatten aus der Gruft ziehen und half gleichfalls den Toten aufhängen.
    Der Ritter aber sagte: »Liebe Frau, jener hatte einen Zahn weniger im Munde, und ich fürchte, wenn man wiederkäme, um ihn zu besichtigen, so möchte ich davon Schande erleben.«
    Als sie das hörte, brach sie ihm einen Zahn aus dem Munde, und wenn noch etwas anderes erforderlich gewesen wäre, so hätte sie es auch getan. Als der Ritter sah, wie sie mit ihrem Gatten umgegangen war, sagte er: »Liebe Frau, da Ihr Euch so wenig aufrichtig um den bekümmert habt, den Ihr so sehr zu lieben schienet, so würdet Ihr Euch noch viel weniger um mich redlich bekümmern.«
    Damit ließ er sie und ging seinen Geschäften nach; sie aber hatte die Schmach und Schande.

Das Herz des Buhlers
(Konrad von Würzburg, Herzmäre; Uhland, Der Kastellan von Coucy)
    Der Berg Arimini ist in Burgund, und dort lebt ein Herr namens Messer Roberto, und es ist eine große Grafschaft. Die alte Gräfin und ihre Kammerfrauen hatten einen einfältigen Türhüter; der war sehr groß von Gestalt und hieß Baligante. Eine der Kammerfrauen fing an bei ihm zu schlafen; dann offenbarte sie es einer andern, so daß es weiter ging bis zur Gräfin. Als die Gräfin hörte, daß er sehr groß gemessen war, schlief sie auch bei ihm. Der Herr spähte es aus. Er ließ ihn ermorden und ließ aus dem Herzen einen Kuchen machen und brachte ihn der Gräfin und ihren Kammerfrauen, und sie aßen ihn. Nach dem Essen kam der Herr, um den Hof zu machen, und fragte, wie die Torte gewesen sei.
    Alle antworteten: »Gut.«
    Da antwortete der Herr: »Das ist kein Wunder, daß Baligante euch lebend gefallen hat, wenn er euch noch tot gefällt.«
    Als die Gräfin und die Kammerfrauen dies merkten, schämten sie sich und sahen wohl, daß sie ihre Ehre für diese Welt verloren hatten. Darum wurden sie Nonnen und machten ein Kloster, welches das Kloster der Nonnen von Berg Rimino hieß. Das Haus nahm zu und ward sehr reich. Und dies erzählt man als wahre Geschichte:
    Dort ist die Sitte, wenn ein Edelmann vorbeikam mit vielem Gerät, den luden sie ein und erwiesen ihm die größte Ehre. Und die Äbtissin und die Schwestern kamen ihm entgegen, und die, die ihm am besten gefiel, die wartete ihm auf und begleitete ihn zu Tisch und zu Bett. Am Morgen stand sie auf, suchte ihm Wasser und Handtuch, und wenn er gewaschen war, bot sie ihm eine leere Nadel und einen Seidenfaden. Nun mußte er, wenn er sich losmachen wollte, den Faden in das Öhr stecken, und wenn ihm das dreimal hintereinander mißlang, nahmen ihm die Frauen alle seine Habe und gaben ihm nichts zurück; wenn er aber den Faden dreimal in die Nadel brachte, so gaben sie ihm nicht nur sein Gerät zurück, sondern schenkten ihm auch noch schöne Kleinodien.

Der Gnadenruf
    An dem Hofe von Puy Notre Dame in Provence wurde ein edles Fest angeordnet, als der Sohn des Grafen Raimon zum Ritter geschlagen ward und viele Edlen einlud. Da kamen ihm zuliebe so viele
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