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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Autoren: Klaus Kreiser
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Schönheit». Salomon verliebte sich in sie und machte sie zu seiner Frau.
    Weil er diese junge Frau über die Maßen liebte, gestattete er ihr jede Laune. Was immer sie wollte, ließ er ihr durchgehen. Eines Tages sagte die Frau Şemsiye zum Propheten Salomon: «Bau mir einen großen Palast, ein Gebäude, das so groß ist wie es im ganzen Universum nicht existiert, und das von niemandem besser ausgeführt werden kann.» Darauf erteilte Salomon den Riesen und Feen, den Menschen und Geistern seine Befehle: «Findet mir einen Ort mit mildem Klima, das dem Paradies ähnelt. Und errichtet mir dort einen großen Palast!»
    Nachdem die Riesen die Welt durchstreift hatten, berichteten sie Salomon, dass nur ein Ort mit mildem Klima namens Aydincik in der Provinz Rûm am Rande des Mittelmeers in Frage käme. Der Chronist fügt hinzu, dass man diese Stelle heute Temaşalik nenne. Die Riesen, Feen, Geister und Menschen machten sich an den Bau des Palastes, so dass Salomon und seine anspruchsvolle Gattin einziehen konnten.
    Lange danach tritt ein gewisser Yanko, der Sohn des Madyan, als römischer Kaiser auf und richtet sich in dem Palast ein. Dieser Yanko soll 2228 Jahre vor der Einnahme Istanbuls durch die Türken gelebt haben und war der Gründer der Stadt Istanbul, deren Bauplatz ihm durch ein Traumgesicht mitgeteilt wurde. Yanko ließ sieben Jahre lang die Baumaterialien zusammentragen, im achten Jahr standen vierzigtausend Soldaten, vierzigtausend Maurer und zweihunderttausend andere Arbeiter bereit, um die Mauern der Stadt zu errichten.
    Und weil es nach den Worten der Wahrsager eine bestimmte Glückstunde gab, die nur alle dreißig Jahre eintrat, achteten sie auf diese Stunde. An der Innenseite der Mauer ließ er (Yanko) Säulen errichten so hoch wie Minarette. Sie ließen an jeder Säule Glocken befestigen, die beim Eintreten der (Glücks)Stunde läuten sollten, worauf die Maurer und Soldaten auf einen Schlag mit der Arbeit beginnen sollten. Und von da ab spähten die Wahrsager mit ihren Astrolabien nach der günstigen Stunde. Die Stunde war nicht eingetreten, als an einem Samstag, zur Stunde des Mars, durch die Fügung des Himmels und den Willen Gottes … ein Storch, der eine Schlange trug, durch die Luft flog. Die Schlange rettete sich in Todesangst aus seinem Schnabel und fiel auf eine der Glocken. Die Glocke läutete, und aufder Stelle begannen sie sämtliche (anderen) Glocken zu läuten, weil sie den Ton dieser Glocke vernommen hatten und glaubten, daß die Stunde gekommen war. Die Maurer und Soldaten glaubten ebenfalls, daß die Stunde gekommen war, und machten sich an die Arbeit. Die Wahrsager stießen angesichts der Lage laute Schreie aus. Was aber sollte der Herrscher tun, nachdem er einmal so entschieden hatte. Sie konnten sich nicht entschließen, das bereits Gebaute wieder abzureißen und alles zu verschieben. So machten sie weiter. Der Herrscher war sehr betrübt, ihm wurde deutlich, daß das Schicksal der Stadt der Untergang und nicht der Wohlstand sein würde.
    Ungeachtet dieser Vorzeichen bauen die Männer in vierzig Tagen 360 Türme, 60 Tore, 100 Kirchen, 60.000 Wohnhäuser, 100 Bäder und 5000 Karawanserails. Dabei wurden ganze Familien gewaltsam aus sämtlichen Provinzen deportiert, wodurch viel Leid entstand.
    Und die Leute in dieser Epoche verfluchten die Stadt, jeder in seiner Sprache und in den Fluchformeln seiner Religion, weil sie mit Gewalt weggeschleppt worden waren. Sie verströmten Tränen und verursachten den Untergang dieser Stadt, weil sie von diesen Wehklagen erschüttert wurde. Aus diesem Grund war die Stadt zum Untergang verurteilt. Sie beteten, daß sie untergehe, und die Tränen ihrer Klagen trockneten nicht auf dem Boden, auf den sie fielen.
    Yanko gibt der Stadt seinen Namen und lässt auf einer Säule sein Reiterstandbild errichten. Gegenüber ließ er eine riesige Kirche mit 1000 Wohnzellen bauen. Nachdem er mit seinen Soldaten und Mönchen 300 Jahre ein sorgloses heidnisches Dasein verbracht hatte, bestieg er die Säule, um von dort die Sonne anzubeten. Jetzt greift Gott mit Naturgewalten ein.
    Er sandte einen wütenden Sturm, der Wind blies, Regen fiel nieder, Hagel stürzte herab, und ein Erdbeben trat auf, so stark, daß man seinesgleichen seit den Zeiten Noahs des Propheten und der Propheten Hud, Salih und Loth – die Gnade Gottes sei über ihnen – nicht gekannt hatte. Der Zorn Gottes, des Allmächtigen, ging derart hernieder, daß durch das Erdbeben die Kuppel jener
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