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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
Autoren: Veronica Wolff
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Schleudermanöver gerade noch die Ausfahrt auf eine einspurige Landstraße erwischte. So wie ich mein Glück einschätzte, war er am Ende doch ein Serienkiller. »Wohin fährst du?«
    »Ich dachte mir, dass du vielleicht lieber mit dem Flugzeug zur Küste fliegst.«
    Der Motor heulte kurz auf. Ronan wischte sich das dunkle Haar aus der Stirn und schaltete wieder in den dritten Gang. Bei der Bewegung wurde das Tattoo sichtbar, das mich von Anfang an so fasziniert hatte.
    Ich hatte nicht geahnt, dass es Typen wie ihn überhaupt noch gab.
    Das alles konnte nicht wahr sein.

»Wow … also, ich meine … einfach … wow!« Ronan hatte eine kleine Start- und Landepiste angesteuert und vor einem Flugzeug geparkt. Eine Art Privatjet, blitzblank, schnittig und total elegant. Ich reckte den Hals und klebte die Nase an die Scheibe, um mir alles ganz genau einzuprägen. Es war ein Jammer, dass mir nichts Poetisches einfiel, zum Beispiel ein guter Spruch über das schwarze Asphaltband der Rollbahn, das sich in der Ferne verlor – aber die Realität des schäbigen graubraunen Behelfsflugfelds war weit weniger dramatisch. Kleine Pfützen zeugten davon, dass hier vor Kurzem einer der typischen Florida-Platzregen niedergegangen war, und die von der Nässe dunklen Risse im Belag der Piste erinnerten an Craquelé-Keramik.
    Die Bedenken, die mich anfangs blockiert hatten, waren plötzlich alle wieder da. Eine Spritztour im Sportwagen eines geheimnisvollen Mitstudenten war eine Sache, aber Privatjets gehörten in eine völlig andere Liga. »Wer bist du? John Travolta oder was?«
    »John Travolta?«, fragte er und sah mich von der Seite an. In seinen grünen Augen tanzten goldene Flecken.
    Mein Mund wurde trocken, und ich räusperte mich. »Na, dieser Filmstar, der eine ganze Sammlung von Flugzeugen besitzt. Ich meine nur … wer bist du, dass du dir so eine Maschine leisten kannst?«
    »Das Ding gehört mir nicht, wenn du es ganz genau wissen willst.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem schwachen Lächeln.
    Ich musste woanders hingucken. Dieser starke, attraktive Typ mit dem rauen Akzent hatte mich komplett in der Hand.
    Aber war das eine Entschuldigung, um mit ihm in ein Flugzeug zu steigen? Gut, ich kannte seinen Vornamen. Aber deshalb blieb er trotzdem ein Fremder für mich. Das Leben mit einem prügelnden Vater hatte meine Instinkte geschärft. Und einer dieser Instinkte sagte mir: Kluge Mädchen steigen nicht zu fremden Männern in ein Flugzeug. »Na schön, neuer Versuch: Wer bist du, dass du so eine Maschine benutzen darfst?«
    »Die Frage ist: Besitzt du den Mut, das herauszufinden?« In seiner Stimme schwang etwas Herausforderndes mit, das mich zwang, ihn anzusehen. Bei seinem eindringlichen Blick stockte mir der Atem. Er beugte sich zu mir herüber und legte eine Hand auf meine Schulter. »Die Frage ist«, wiederholte er, »bist du bereit, ein völlig neues Leben anzufangen?«
    Ein neues Leben? War so etwas überhaupt möglich?
    Ich ließ meinen Blick wieder über das Flugzeug wandern. Aus lauter Angst, nervös herumzuzappeln, hielt ich die Arme ganz steif. Ich wurde den Verdacht nicht los, dass ich mit dem ersten Schritt auf diesen Asphaltstreifen eine endgültige Entscheidung traf – dass ich mich auf einen Weg ohne Wiederkehr begab. Aber war es ein Weg voller Gefahren, oder würde ich an seinem Ende auf einen Goldschatz stoßen?
    Ein Schatten huschte durch das Cockpit und war im nächsten Moment verschwunden. Der Pilot, nahm ich an, der die Maschine startklar machte. Fast, als hätte man uns erwartet.
    Ich rückte von ihm ab, so gut das in seinem engen Sportwagen möglich war. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass er mich bei der Einschreibung rein zufällig entdeckt und spontan entschieden hatte, dass ich die Richtige für seine Flucht in ein neues Leben war, ging gegen Null. »Warum ich?«
    Wieder berührte er mich leicht, diesmal am Oberschenkel. Es war eine beiläufige Geste, aber ich spürte seine Hand heiß wie einen Brandstempel. »Warum nicht du, Annelise?«
    Ja, warum eigentlich nicht?
    Ich schüttelte den Kopf. Weil normale Menschen – vernünftig und logisch denkende Menschen – nicht im Traum auf die Idee kämen, eine Siebzehnjährige per Privatjet in ein neues Leben zu entführen.
    Ich wich zurück, und eine Flut von Zweifeln schwappte über mich hinweg. Gehörte er etwa einem Hightech-Menschenhändler-Ring an, der sich auf junge Mädchen mit hohem IQ und einem Hang zu lahmen Witzen spezialisiert
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