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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
Autoren: Veronica Wolff
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»Kommt mir eher unwahrscheinlich vor.«
    Sie kniff die Augen zusammen und wich meinem Blick aus. Ihr Durchsetzungsvermögen lag knapp über Null. Wahrscheinlich duldete Daddy sie deshalb immer noch in seiner Nähe.
    Sie musterte die Sachen, die ich zurückgelassen hatte, und begutachtete eingehend die ausgeblichene Tagesdecke, die ich seit meinem achten Lebensjahr besaß. Damals hatte ich für Lila geschwärmt. Aber neun Jahre sind eine lange Zeit, in der man lernen kann, eine Farbe zu hassen. Die kannst du behalten , dachte ich gönnerhaft.
    »Den Saustall hier räumst du schön auf!« Das klang, als hätte ich ihr einen dampfenden Scheißhaufen mitten auf dem braunen Flokati hinterlassen. Ihr Blick richtete sich erneut auf mich, und ein schriller Ton stahl sich in ihre Stimme. »Oder hattest du etwa die Absicht, dich davonzuschleichen wie eine Diebin?«, fragte sie misstrauisch.
    Irgendwie schon , dachte ich. Aber ich schwieg.
    »Und überhaupt, wo willst du schon hin? Ich glaube kaum, dass du Freunde hast, bei denen du Unterschlupf finden könntest.«
    Freunde.
    Ich dachte an die Leute von der Dale R. Fielding High School. Ein Haufen unterbelichteter Gestalten, die shoppen gingen, um die Häuser zogen oder rumknutschten – was die Kids in meinem Alter eben so in ihrer Freizeit machten.
    Nein, danke!
    Für mich kam nur das College infrage. Was ich denen natürlich nicht auf die Nase band. Sonst hätten die mich noch verdächtigt, dass ich die Studiengebühren von Dads gut gefülltem Sparstrumpf nahm. Eine lachhafte Vorstellung. Die einzige Knete, die er je eingesackt hatte, war ein Erwerbsunfähigkeitsscheck, der wahrscheinlich längst versoffen war.
    Nein, ich musste keine Studiengebühren blechen. Ein IQ am oberen Anschlag und ein irrsinnig guter Notendurchschnitt hatten eben ihre Vorteile. Ich wollte nichts wie raus aus Florida, und obwohl mein Beratungslehrer meinte, ich könnte überall einen Freiplatz kriegen, war mir klar, dass die teuren Eliteschmieden keine »Sozialfälle« (würg) wie mich mitten im Jahr nahmen. Für mich kam also nur eine staatliche Institution infrage.
    »Ich nehme an, du willst mit dieser Karre abhauen, in der du ständig herumgondelst?« Die Vollzicke verschränkte die Arme, als hätte sie den ultimativen Siegtreffer gelandet. »Aber wer hat deiner Meinung nach die Versicherung für das Ding bezahlt?«
    »Ich … die Versicherung und das Auto, wenn du es genau wissen willst.« Ich funkelte sie wütend an, gespannt, was sie jetzt zu erwidern hatte.
    »Bea!«, brüllte Daddy von nebenan.
    Meine Stiefmutter und ich funkelten einander stumm an. Schließlich fauchte sie: »Du glaubst, nur weil du schlauer bist als wir …«
    »Bea! Wo bleibst du denn?«
    Unfassbar, der Mann stemmte sich nicht mal aus seinem Liegesessel hoch, um selbst eine frische Bierdose aus dem Kühlschrank zu holen! Mein allerbester Daddy hatte keine Ahnung, dass ich ging, und es war ihm vermutlich auch egal. Ich grinste sie scheißfreundlich an. »Ich glaube, Daddy hat schon wieder Durst.«
    Die Vollzicke bedachte mich mit einem letzten Giftblick und hastete ins Wohnzimmer.
    Weg! Von! Hier! Ich hievte meine Reisetasche über die Schulter und verabschiedete mich von meinem Poster an der Zimmerwand. Einstein streckte mir die Zunge raus, und ich erwiderte den freundlichen Gruß. »Ciao, Al.«
    Leise öffnete ich die Haustür und verschwand.

Florida ist für alle möglichen Dinge bekannt:
    1. Disney World
    2. Serienkiller
    3. Bizarre Unfälle mit Alligatoren
    4. Bizarre Unfälle mit Blitzen
    5. Gigamäßige Universitäten
    Da ich weder auf Prinzessinnen noch auf Schmerzen stand, kam für mich nur Nummer fünf infrage. Gator Nation , der Himmel steh’ mir bei! Aber hey, egal. Auch wenn die University of Florida in Gainesville dem Paris meiner Träume nicht das Wasser reichen konnte, so war sie zumindest ein Anfang.
    Ich fädelte meinen Honda vorsichtig durch den Campus mit seiner krassen Architektur und bekam vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu. Nach drei Stunden Fahrt in der prallen Sonne klebten mir dank einer kaputten Klimaanlage die Klamotten am Leib, aber ich war total aufgeregt. Was machte es da schon, dass die herrschaftlichen Backsteingebäude nicht in Efeu gehüllt, sondern von mickrigen Palmen umgeben waren? Das hier war College pur.
    Um mir Mut zu machen, verdrückte ich erst mal eine Schoko-Madeleine.
    An der UF waren mehr als 50 000 Studenten eingeschrieben. Bestimmt fanden sich darunter auch ein
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