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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
Autoren: Veronica Wolff
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Seite und wischte das Ding weg wie eine lästige Fliege. Ihr Husten hatte nachgelassen. Ohne Eile kam sie auf mich zu. »Sie haben mich daheim rausgeworfen, aber jetzt bin ich hier gelandet, und ich denke nicht daran, mein neues Zuhause aufzugeben.«
    Ich verdrängte den unbequemen Gedanken, dass Lilou vielleicht genau wie ich auf der Suche nach der Geborgenheit einer richtigen Familie war.
    Mit meinem zweiten Wurf traf ich ihren Oberschenkel. Sie merkte es nicht einmal. Schritt für Schritt kam sie näher.
    Es machte mich fertig, dass sie überhaupt keinen Schmerz spürte. Wieder schleuderte ich eine der Scheiben. Sie segelte um Millimeter an ihrem Hals vorbei und prallte klirrend von der Höhlenwand ab. Ich hatte nur noch einen Wurfstern übrig.
    Ihre Mundwinkel zuckten. »Du siehst so putzig aus, wenn du mit den kleinen Dingern um dich schmeißt. Aber ich habe dir gleich gesagt, dass sie nichts taugen. Und zwar, weil du nichts taugst.«
    Ich wich zurück, aber sie folgte mir. Langsam bewegten wir uns im Kreis um den unterirdischen See. Sie wirkte unheimlich ruhig. Ihre Arme baumelten locker an den Seiten, wenngleich die Spitze des Springmessers immer auf mich gerichtet war.
    Mein letzter Stern segelte durch die Höhle, und er traf ihren Messerarm. Sie schien es wieder nicht zu merken, zuckte nicht einmal zusammen, obwohl die Klinge tief in ihrem Fleisch steckte.
    Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen und sah mich verzweifelt nach einer anderen Waffe um, doch ich wusste, dass ich keine finden würde.
    »Siehst du im Dunkel schlecht?« Geduckt kam Lilou auf mich zu. Mit jedem Pulsschlag schoss Blut aus ihrer Wunde, lief den Arm entlang und sammelte sich in den Fingerspalten. »Pech für dich. Ich bin die Dunkelheit gewöhnt. Meine Eltern sperrten mich nämlich immer in den Wandschrank, wenn Sunny ihnen wieder etwas vorgelogen hatte. Ich saß da und hörte sie draußen reden und ihre Lügen verbreiten. Bis ich mir Daddys Feuerzeug besorgte. Ich knipste an dem Ding herum, bis mein Daumen wund war. Aber irgendwann brannte es.«
    Mein zweiter Stern steckte immer noch in ihrem Schenkel. Flammen spiegelten sich im blank polierten Stahl. Die Hose klebte ihr am Bein, ein Zeichen, dass der Stoff sich mit Blut vollgesogen hatte. Aber sie kam unbeirrt näher.
    Noch war ich nicht besiegt – ich musste nur einen Trick finden, um sie auszuschalten.
    Ich stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Nun war ich echt in Bedrängnis. Lilou hatte eine Waffe, und sie war stärker als ich.
    Aber dieser Kampf war eine Sache des Verstandes. Und mein Verstand hatte mich mehr als einmal gerettet. Die Pflegeschwester war ganz offensichtlich ein wunder Punkt in Lilous Leben. Vielleicht konnte ich das für mich nutzen. »Gib es zu – Mami und Daddy haben dich nie geliebt!«
    Sie erstarrte.
    Bingo. Ich bohrte tiefer. »Deshalb holte sich deine Mami das andere Mädchen ins Haus. Einen Ersatz für dich. Das muss man sich mal vorstellen! Sie nahm ein Gossenkind auf, weil du ihr nicht gut genug warst.«
    Sie fauchte wie eine Raubkatze und stürzte sich auf mich. Aber das Messer entglitt ihren blutverschmierten Fingern. Verblüfft starrte sie ihre Handfläche an. Erst jetzt entdeckte sie die Wurfsterne und zerrte sie aus den Schnittwunden. Sie schaute auf. Fackellicht zuckte über ihr Gesicht. Sie wirkte benommen.
    Lilou hatte zu viel Blut verloren.
    Sie taumelte. Stolperte auf mich zu. Ihre Füße schleiften mühsam über den Boden. Es fiel ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten. »Kann nich’ besser sein als ich, wenn sie tot is’«, nuschelte sie undeutlich.
    »Aber jetzt bin ich da. Wieder ein Mädchen aus der Gosse. Und wieder besser als du. «
    Sie war nur noch wenige Schritte von mir entfernt, als sie zusammenbrach und auf dem Höhlenboden liegen blieb.
    Einen Moment lang herrschte Stille. Dann hörte ich wie aus weiter Ferne den Gong und die Stimme von Wächterin Priti: »Siegerin des Finalkampfs ist Acari Drew.«
    Ich ging in die Knie. Menschen umringten mich.
    Yasuo und Emma drängten sich nach vorne durch. In ihren Gesichtern spiegelte sich Erleichterung, Besorgnis – und noch etwas. Angst vielleicht. Angst, wie ihre beste Freundin es verkraften würde, dass sie eine Kommilitonin brutal getötet hatte.
    Emma sagte etwas, aber die Umstehenden übertönten ihre Worte, sodass sie wirr und ein wenig verzerrt klangen. Wahrscheinlich hatte ich irgendwann während des Duells einen Schlag gegen das Trommelfell abbekommen.
    Ich drehte den Kopf
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