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Irsud

Irsud

Titel: Irsud
Autoren: Jo Clayton
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Tränen brennenden Heimwehs liefen unaufhaltsam über ihre Wangen herunter.
    Sie sprang auf die Füße, lief in das Gebäude zurück, reckte sich hoch, drückte das Rechteck, trat eilig zurück, als die Glastür herunterglitt. Leicht zitternd zog sie den Wandbehang wieder vor das Glas, um den beunruhigenden Anblick des Grüns und des lieblichen Gartens auszuschließen.
    Die Hiiri war gegangen. Das Bett war gerichtet, die Decke zurückgelegt, der Kissenbezug ein frisches, faltenloses Weiß.
    Aleytys ging an der Wand entlang, tastete schwermütig über den Gobelin; ihr Mund verzog sich zu einer selbstverspottenden Krümmung, als sie eine stolzierende männliche Gestalt mit eindrucksvoll aufgerichtetem Organ betrachtete. Nach einer Minute wandte sie sich ab, ging gegen die verwirrenden Erinnerungen an, die drohten, sie sinnlos auf Pfaden entlangwirbeln zu lassen, die sie nicht zurückverfolgen konnte.
    Sie schritt nervös um das Bett herum, fühlte sich orientierungslos und ziellos. Ein rudimentärer Drang, etwas zu tun, irgend etwas, fraß an ihr. Der Dämpfer juckte in ihrem Rücken und warf ihre Gedanken durcheinander, so daß sie – ohne einen bestimmten Punkt, der ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm – durch die unsteten Sprünge, die ihr Verstand machte, benommen wurde. Sie ballte die Fäuste und schlug sie gegen die Glaswand, schrie in ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung auf, wollte etwas verletzen, nach etwas ausschlagen und war zur gleichen Zeit entsetzt über die Wut und die nervöse Gereiztheit, die ihre Seele in Fetzen sprengten. Sie stieß sich von der Wand ab und eilte um das Bett herum, entschlossen, durch den Türbogen hinauszugehen, egal, ob eine Wächterin davorstand oder nicht.
    Der männliche Nayid, der am Fuß des Bettes stand, lächelte sie an und verbeugte sich würdevoll.
    Aleytys blieb stehen und starrte ihn an, einen langen, schrecklichen Moment unfähig zu irgendeiner Art von Reaktion auf seine Gegenwart.
    „Parakhuzerim“, sagte er ruhig; seine Stimme war heller, melodischer als die einer weiblichen Nayid. „Kann ich Euch in irgendeiner Weise dienen?“ Die Worte waren förmlich, aber als er sich aufrichtete, lächelte er sie wieder an, und seine langen, gefiederten Fühler schwankten sanft, ließen das Blau, Grün, Purpur, Rot in schillerndem Schwindelgefühl über die schmückenden Pfauenaugen rieseln.
    „Was bist du?“ Für Aleytys klang ihre Stimme tastend, weich. Sie schloß die Augen und faltete die zitternden Hände hinter ihrem Rücken. „Wie bist du hier hereingekommen?“ Ihre Stimme stieg bei dem letzten Wort schrill an und erschreckte sie mit ihrem Hauch von Hysterie. Sie schluckte und sagte gleichmäßiger: „Kann jeder, der dies will, zu mir hereinkommen?“ Ein Muskel neben ihrem Mund begann zu zucken.
    „Ich bin … Migru.“
    Sie hörte das leichte Zögern. Obwohl ihr die nichtmenschlichen Gesichter noch zu fremd waren, um darin lesen zu können, ließen das schnelle Zucken seiner Fühler und die Rötung seiner bleichen Wangen eine gewisse Abneigung gegen den Namen vermuten. Ich werfe ihm nichts vor, dachte sie. Liebling genannt zu werden, wie ekelhaft … Verdammt, wenn ich nur … Der Dämpfer schaltete sich grell ein und schickte ihren Geist auf einer Übelkeit erregenden Spirale ins Chaos. Es dauerte eine Minute, bis sie wieder sehen konnte.
    Migru zog seinen kurzen Faltenrock aus blaugrüner Seide hoch und wartete darauf, daß sie etwas sagte.
    „Migru“, wiederholte sie, während sie langsam die Kontrolle über Geist und Körper zurückgewann. „Warum …“
    Er neigte seinen Kopf, das Lächeln krümmte noch immer seine wohlgeformten Lippen. „Ich dachte mir, daß Ihr vielleicht Fragen habt, wenn Ihr erwacht. Ein fremder Ort. Seltsame Dinge geschehen. Ich wußte, die Kipu würde nicht daran denken, deshalb …“ Er breitete seine Hände aus.
    Aleytys hob eine Hand an den Kopf. „Das war nett.“ Sie schaute sich geistesabwesend um. „Setzen … ja … setzen wir uns hin und reden … reden …“ Sie zog mit ungeschickter Unsicherheit an den hauchdünnen Vorhängen. „Setz dich …“ Sie sank auf das Fußende des Bettes nieder.
    Der Nayid-Mann stand einen Moment unbeweglich, sein Mund verhärtete sich für einen Augenblick. Dann ging er ruhig zu ihr und ließ sich auf dem Bett neben ihr nieder.
    Aleytys schüttelte sich, da seine Nähe verwirrende Emotionen in ihr erweckte. So lange her, seit ein Mann neben ihr gesessen hatte. Sie gehalten hatte. Sie
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