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Iron Witch

Iron Witch

Titel: Iron Witch
Autoren: Karen Mahoney
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Tagebuch:
    Wann immer ich an »den Vorfall« an der Ironbridge Highschool denke – an den sich alle erinnern, aber so tun, als ob er nicht passiert wäre –, wird mir fürchterlich schlecht. Als ob ich es an den Nerven hätte, nur viel schlimmer. Schmerzhafter. Ich schäme mich für mein Benehmen, aber ich musste damals alleine zurechtkommen und mich wehren, und das ist doch schon mal was. Oder nicht?
    Ich wünschte mir nur, dass die Leute es wirklich vergessen könnten – so was wie eine magische Auslöschung all ihrer Erinnerungen –, anstatt vorzutäuschen, dass es nie passiert wäre. Ereignisse, die nicht mit dem Verstand erklärt werden können, sollte man besser in Ruhe lassen. Aber Mädchen wie Melanie Swan vergessen es nicht so schnell, wenn sie vor ihren Freunden gedemütigt werden.
    Alles, was ich wollte – alles, was ich immer wollte – war, meine Highschool-Zeit möglichst unauffällig hinter mich zu bringen. Es war schlimm genug, anders zu sein, weil ich immer die Handschuhe tragen musste; wenn man so auffällt, fühlt man sich ständig unwohl. Einige der Schüler meinten, ich versuchte einen »Modetrend« einzuführen und machten abfällige Bemerkungen, wenn sie dachten, ich könnte sie nicht hören. Melanie allerdings war es egal, ob ich sie hören konnte oder nicht. Manchmal sagte sie mir geradewegs ins Gesicht: »Was geht da mit deinen Händen, Underwood? Versuchst du dir das Nägelkauen abzugewöhnen?« Oder: »Wie kriegst du das hin, einen Kuli zu halten mit den Dingern?« Und ich schämte, hasste mich dafür, drehte mich um und versteckte mich hinter Navin. Ich versuchte sie zu ignorieren – und hab es fast zwei Jahre lang ziemlich gut hinbekommen.
    Als die Leute aber mal dahinterkamen, dass die Handschuhe nicht nur ein Spleen waren –, sondern dass ich eine spezielle Genehmigung erhalten hatte, sie zu tragen, weil mir etwas passiert war –, wurde Melanie von ihrer Neugier überwältigt. Um fair zu sein, muss ich sagen, dass sie nicht die Einzige war, aber es gibt immer einen Anführer bei solchen Aktionen. Ich musste an einigen sportlichen Aktivitäten nicht teilnehmen, und dafür hasste sie mich. (Sie selbst war wahrscheinlich schon in voller Cheerleader-Montur zur Welt gekommen.) Sie konnte es nicht ertragen, dass ich anders behandelt wurde.
    Jedenfalls war Navin aus irgendeinem Grund an diesem Tag nicht in der Schule, und ich kramte in meinem Spind, auf der Suche nach einem Buch, von dem ich sicher war, ich hätte es den Tag zuvor hineingestopft. Melanie trat hinter mich und versetzte mir einen Stoß, woraufhin ich stolperte und mit meinem Kopf gegen die Innenwand des Spinds schlug.
    Während ich versuchte, mich aus meinem Spind zu befreien, spürte ich Hände, die mich links und rechts festhielten und nach unten drückten. Ich kam nicht aus meinem Spind heraus und konnte mich nicht aufrichten. Und dann griff jemand nach meiner rechten Hand und fing an, meinen Handschuh herunterzuziehen.
    Ich erinnere mich noch genau an den Adrenalinschub, der durch mich hindurchschoss. Es war wie eine Hitzewelle, die in meinem hämmernden Herzen anfing, sich in meinem Körper verteilte und in meinem Kopf vibrierte. Ich wollte, dass sie ihre Hände von mir nahmen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand meine Hände und Arme sah.
    Ich hörte Melanies Stimme – »Schaut mal, da ist was!« Und das war’s. Ich bin einfach ausgerastet. Ich riss meine rechte Hand los, in diesem Moment war es mir egal, ob der Handschuh dabei herunterrutschen würde, und packte den Rahmen des Spinds mit beiden Händen. Ich drückte mit all der Kraft in meinen Armen und Händen – drückte mich aufrecht mit solch einer Wucht, dass ich den, der mich festhielt, einfach abschüttelte.
    Und dann stand ich Melanie in einer großen Gruppe ihrer Freunde und lauter neugierigen Gaffern gegenüber. Jemand sagte mit ehrfurchtsvoller Stimme: »Schaut euch mal ihren Spind an« – ich sah wie alle anderen dahin.
    Die Tür stand offen, aber da, wo ich den Rahmen festgehalten hatte, waren im Metall deutlich Handabdrücke zu sehen. Als ob jemand gedankenlos Papier zerknüllt hätte, so war der Metallrahmen zusammengedrückt und verschoben.
    »Was für ein Freak bist du denn, Underwood?«, fragte Melanie und starrte mich an. Ihre blauen Augen waren voller Verachtung und – das freute mich – voller Angst.
    »Ich wusste schon immer, dass du krank bist.«
    »Lass mich in Ruhe«, war alles, was ich sagen konnte. Meine Hände zitterten heftig,
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