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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett)
Autoren: Anne Freytag
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verschwindet.
    „Wir machen, was immer du willst.“
    „Dann überrasch’ mich“, sage ich sicher. „Überleg dir was.“ Da ist
es wieder, das kleine Fünkchen Angst. „Wann willst du mich denn treffen?“,
frage ich kühl.
    „Heute Abend?“
    Na, der lässt nichts anbrennen. Nicht stottern, Emma, bloß nicht
stottern. „Hast du dir etwa schon was überlegt?“, frage ich, um Zeit zu
gewinnen.
    „Lass dich überraschen.“ In seinen Augen blitzt etwas auf; etwas,
das ich nicht deuten kann. Und ich weiß nicht, ob ich dieses Aufblitzen mag.
    „Gut“, sage ich knapp, „Hol mich um acht bei mir ab.
Schlehbuschstraße 4...“ Nachdem ich das gesagt habe, drehe ich mich um und
verschwinde, ohne mich noch einmal umzudrehen. Das ist auch nicht nötig. Ich
spüre, wie seine Blicke genüsslich über meinen Körper wandern. Ich spüre sie
auf meinen Beinen, ich spüre sie auf meinem Hintern. Sie sind wie unzählige
Hände, die mich berühren. Und ich genieße es.
    Meine Knie zittern, mein Mund ist trocken. Er hat mich
angesprochen. Er hat es tatsächlich getan. Und ich habe ja gesagt. Wie soll ich
das bloß Lili erklären?
    Ratlos stehe ich vor unserem Klassenzimmer. Ich kann da nicht rein
gehen. Ich kann es einfach nicht. Und weil ich ohnehin schon viel zu spät bin,
gehe ich auf den Raucherhof und warte, bis die Stunde vorbei ist und die Pause
endlich anfängt.
     
    Lili
    Warum Männer so auf Blondinen abfahren, habe ich noch nie
verstanden. Warum ich mit so einer befreundet sein muss, steht auch in den
Sternen. Emma. Mit diesem Namen verbinde ich so viel Gutes und dennoch ist da
immer dieser Schatten. Emma ist blond. Ich nicht. Emma ist absolut schlank. Ich
nicht. Emma ist groß. Ich bin winzig. Sie hat die perfekte Familie, sie hat ein
tolles Zuhause, sie hat alles. Das ist so sicher nicht ganz wahr und trotzdem
fühle ich öfters diesen Stich der Eifersucht, wenn ich mit ihr zusammen bin.
Wir können über alles reden, nur darüber nicht.
    Sie hat eine Verabredung mit Clemens aus der höheren
Jahrgangsstufe. Dass er mir gefallen hat, lange bevor sie ihn bemerkt hat, ist
ein kleines Detail, das sie kurzerhand ausgeblendet hat. Als wir auf dem
Raucherhof stehen und sie mir strahlend von dieser Verabredung erzählt, sage
ich nichts dazu. Ella übernimmt die Begeisterung, die von mir hätte kommen
müssen. Ella, ebenfalls blond, versucht zur Zeit alles, um Emmas Busenfreundin
zu werden. Und auch das stört mich zunehmend. Denn sie macht das ziemlich gut.
Ella ist neu in unsere Klasse gekommen und scheint sofort gewusst zu haben,
dass für sie und Emma eine tiefe blonde Freundschaft schon immer vorbestimmt
war.
    Es geht nicht wirklich um Clemens. Zugegeben, ein bisschen geht es
schon um ihn, doch nicht primär. Alle finden Clemens toll. Von der Unterstufe
angefangen, bis hin zur Mittelstufe. Und sogar einige aus der Oberstufe würden
ihn nicht von der Bettkante stoßen. Er hat längeres hellbraunes Haar, ist
ziemlich groß, so etwa 1,90 m und hat ein markantes Gesicht. Doch das Tollste
an ihm sind zweifellos seine Augen. Braun-blau. Um die Pupille ein dunkelblauer
Ring, der in einen dunkelbraunen übergeht. Mein Gott, in diesen Augen könnte
man versinken. Er ist einer dieser Rudelanführer, weil er bei den Mädels
ankommt. Alle scharen sich um ihn, lachen über seine Witze und versuchen ihn zu
imitieren. Eigentlich lächerlich.
    Nach dieser Pause wird die gesamte Schülerschaft wissen, dass
Clemens Emma ausführen wird. Als ob Emma nicht ohnehin schon den Ruf der
absoluten Rosine hätte. Da haben sich ja zwei gefunden. Na, Hauptsache Ella
freut sich…
    Emma schaut mich an. Was erwartet sie sich? „Hast du nichts dazu
zu sagen?“, will sie wissen.
    „Wann seht ihr euch denn?“ ist das einzige, was mir auf die
Schnelle einfällt.
    „Heute Abend... er wollte keine Zeit verlieren...“ sagt sie. Und
während sie das sagt, grinst sie übers ganze Gesicht. Vielleicht bin ich auch
unfair und es ist ein Lächeln, doch für mich ist es ein dickes, fettes Grinsen,
das nicht enden will.
    Und siehe da, wer schlendert da auf uns zu? Clemens und Konsorten.
Das ist so peinlich. Und was macht Emma? Sie lehnt betont lässig an der
Betonwand zum B-Bau, die Sonne scheint ihr ins Gesicht, was ihre blauen Augen
noch gigantischer aussehen lässt. Ihre langen Beine sind nur minimal von einem
Röckchen bedeckt, das ich nicht einmal gegen Bezahlung anziehen würde. Doch ihr
steht das. Er sieht zu ihr. Mich bemerkt der Arsch nicht
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