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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett)
Autoren: Anne Freytag
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seinem Zimmer. Ich weiß, ich hätte gehen sollen. Ich
wusste, er will mich ins Bett kriegen. Doch all diese Vernunft wiegt nicht
schwerer als Verliebtheit. All dieses Wissen ist nichts im Vergleich zu der
Schande, dass ich, sollte ich gehen, Lili verletzt habe und das wegen nichts.
Und deswegen füge ich mich, als er mich bei der Hand nimmt und zum Bett
schiebt. Ganz dicht sitzt er neben mir. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut,
was ich nebenbei bemerkt nicht ausstehen kann. Immer näher kommt sein
Schnaufen. Und wieder verdränge ich das ungute Gefühl, dass er mich ausnutzt.
Ich bin wie ein kleiner Pokal. Schön und leer. Und nach außen hin funkle und
glänze ich. Mein Lächeln ist gequält, doch es hält. Und meine Tränenkanäle
melden große Enttäuschung, doch meine Augen sind noch immer perfekt. Und wegen
nem Typen habe ich noch nie geweint. Na ja, fast nie. Aber Clemens ist nicht
Stefan.
    Mit geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen kommt er auf
mich zu. Mir ist klar, dass ich einfach hätte aufstehen und gehen sollen. Doch
was in der Theorie immer einfach klingt, ist in der Praxis meistens das
Gegenteil. Und ich tue das Falsche. Und noch während ich die Augen schließe und
meine Lippen seine berühren, weiß ich das. Ich spüre es, als seine Zunge meine
Lippen durchdringt. Ich spüre es, als ungeschickte Finger meine Bluse
aufknöpfen. Ich spüre es, als er unbeholfen am Verschluss meines BHs
herumfingert.
    Ich fühle mich elend, schmutzig und irgendwie billig. Oben ohne
sitze ich vor ihm. Und nicht nur mein Oberkörper ist entblößt. Ich fühle mich
nackt. Seine Küsse werden immer fordernder. Und je fester er mich packt, desto
mehr kämpfe ich mit den Tränen. Dann plötzlich hört er auf, mich zu küssen, und
ein kleiner naiver Teil in mir denkt, er habe gemerkt, dass ich das nicht will,
dass es mir zu schnell geht.
    Er schaut mich an. Und dann sagt er es. „Ich will mit dir
schlafen…“ Der naive, kleine Teil in mir bricht in Tränen aus, doch meine Augen
bleiben trocken. In seinem Gesicht sehe ich keine Wärme, nur Lust und Triebe.
Er scheint nicht wirklich eine Antwort von mir erwartet zu haben, denn er lehnt
sich zu einer Kommode, die neben seinem Bett steht und holt eine Packung
Kondome heraus. Ohne mich anzusehen, öffnet er sie und reißt eines ab. Dann
steht er auf und zieht sich aus. Ich schaue ich ihm zu. So als wäre ich nicht
wirklich da. Ungläubig, völlig fassungslos. Und erst, als er sich gerade die
Boxershort ausziehen will, bemerkt er, dass ich noch immer barbusig und
regungslos auf der Bettkante sitze. Seine Boxershort wölbt sich. „Was ist?“,
fragt er kalt. Ich schweige. Und zu meinem Entsetzen zieht er sie dann aus.
Nackt steht er vor mir, so als würde das bestimmt den letzten Zweifel von mir
nehmen. So als könnte ich seiner Erektion unmöglich widerstehen. Doch was er
dann tut, übertrifft alles. Er setzt sich zu mir auf die Bettkante, nimmt meine
Hand und führt sie zwischen seine Beine. Nie zuvor habe ich mich so klein
gefühlt. Nicht einmal dann, wenn meine Eltern mich mal wieder haben spüren
lassen, dass ich im Vergleich zu meinen Geschwistern eine Enttäuschung bin. Ich
schaue ihn an. Ich zittere am ganzen Körper. Er lächelt. „Weißt du eigentlich,
wie lange ich mir das schon wünsche?“ Ich schüttle den Kopf. Und noch immer
lächelt er. „Ewig...“
    „Wirklich?“
    „Du bist wunderschön.“ Meine Hand liegt noch immer zitternd in
seinem Schritt. Ich hasse mich dafür, dass ich mich so behandeln lasse. „Wir
müssen ja nicht bis zum Äußersten gehen...“, sagt er dann. Tröstlich ,
dass wir das nicht müssen.
    „Das will ich auch nicht.“ Er wirkt enttäuscht. Und das wiederum
enttäuscht mich noch mehr.
    „Ich dachte, du willst mich auch.“
    „Ich kenne dich doch gar nicht...“, entgegne ich vorsichtig. Mein
Blick ist gesenkt, doch ich wage es nicht meine Hand wegzunehmen. Ich kann mir
schon vorstellen, was er über mich erzählen wird. Das klingt vielleicht
armselig, aber wenn er allen erzählt, dass ich prüde bin, kann ich mich
nirgends mehr blicken lassen. Und die Schule ist der einzige Ort, an dem ich
jemand bin.
    „Ich will doch, dass du mich kennenlernst...“
    „Aber doch nicht so...“, falle ich ihm ins Wort.
    „Wie soll ich mich konzentrieren, wenn ich an nichts anderes
denken kann, als dich zu berühren?“
    Ich fasse es nicht. Und obwohl ich durchschaue, was er tut, fange
ich langsam an, meine Hand auf und ab zu
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