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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett)
Autoren: Anne Freytag
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bewegen. Er schließt die Augen und
atmet tief. Dann höre ich abrupt auf. „Nur, dass das klar ist, ich werde heute
nicht mir dir schlafen.“
    Er schaut mich an. Und nach einer Weile sagt er dann, „Okay, ist
klar…“ Und ich mache weiter.
    Ich liege auf meinem Bett. Es ist nicht so, dass es überhaupt
nicht schön war. Also ich habe nicht mit ihm geschlafen, ich meine den Rest. Er
hat mich ausgezogen, und meinen Körper mit Küssen übersät, die für meinen
Geschmack ein wenig zu nass waren. Dann hat er mich geleckt. Und das war, na
ja, er hat es halt versucht. Und vielleicht sollte ihm mal jemand sagen, dass
das Vorteilhafte an menschlichen Fingern ist, dass man sie abwinkeln kann. Aber
ansonsten war es ganz okay, auch wenn ich nicht ekstatisch schreiend da lag.
Ich habe ihm nicht in einem Anfall von Erregung den Rücken in Fetzen gerissen,
und er musste mir auch kein Kissen aufs Gesicht drücken, weil seine Eltern uns
sonst gehört hätten. Aber wenn ich ehrlich bin, gab es bisher nur einen, der
das bei mir machen musste. Und das liegt daran, dass ich mich bei ihm fallen
lassen konnte. Und das kann ich bei Clemens nicht, weil er mir nicht die Zeit
dazu gibt.
    Es läuft mir eisig über den Rücken. Nicht nur, dass er mich
gedrängt hat, er hat mich auch nicht ernst genommen. Nicht einmal, als ich
gesagt habe, dass ich nicht mit ihm schlafen möchte. Er liegt auf mir, küsst
mich und dann gleitet er mit der Hand zwischen meine Beine. Und erst dann
bemerke ich, dass er versucht, in mich einzudringen. Und das nur, weil ich
spüre, wie etwas Hartes sich seinen Weg in mich bahnt. Ich hätte ihm eine
knallen sollen, ich hätte ihn anspucken sollen. Aber ich habe ihn nur sanft von
mir gedrückt.
    Ich hasse mich dafür, dass es mir so wichtig ist, was andere über
mich denken. Ich wünschte, ich wäre anders. Aber ich würde lügen, wenn ich so
tun würde, als wäre es mir egal. Das ist es nicht.
    Und zum ersten Mal weine ich wegen eines Kerls. Na ja, nicht ganz.
Wegen Stefan habe ich viel mehr geweint. Aber das war etwas anderes. Denn
damals weinte ich, weil er weg musste. Ich weinte, weil ich ihn liebte und er
mich. Ich weinte, weil ich wusste, wie sehr ich ihn vermissen würde. Und nicht,
weil er versucht hat, gegen meinen Willen mit mir zu schlafen. Bei ihm konnte
ich mich fallen lassen. Nur bei ihm. Wenn er mich berührt hat, war alles um
mich herum plötzlich unwichtig. Nur seine Hände auf meinem Körper. Er war mein
Erster. Und ihn wollte ich spüren.
    Doch er ist weg. Und Clemens ist da. Wäre doch Clemens weg, und
Stefan da. Als Clemens mich nach Hause gefahren hat, habe ich versucht, an
etwas anderes zu denken, nur damit ich erst weine, wenn er weg ist. Er hat mir
über die Wange gestreift und sich für den wunderschönen Abend bedankt. Er hatte
auch einen schönen Abend. Gleich bei der ersten Verabredung habe ich ihm einen
geblasen. Und gleich bei der ersten Verabredung habe ich geschluckt. Und das in
vielerlei Hinsicht. Darin bin ich gut. Meinen Würgreiz kann ich ziemlich gut
kontrollieren. Clemens hat also eine gute Behandlung bekommen. Und ich war
nicht prüde. Ich habe schließlich geschluckt. Das sollte reichen.
    Und auch, wenn ich keine Lust habe, muss ich Lili anrufen. Wenn
ich sie schon hintergehe, dann muss ich sie wenigstens als erste anrufen. Das
klingt vielleicht paradox, doch das ist es nicht. Würde ich Ella anrufen, wäre
es noch schlimmer. Lili kann Ella nicht leiden. Und deswegen muss sie die erste
sein, die ich anrufe. Doch ich werde ihr nicht die Wahrheit sagen. Ich kann sie
ihr nicht sagen. Und deswegen spiele ich mein gut gelauntes Selbst und schwärme
ihr vor, wie gut mein neuer Freund küsst. Und das ist nicht einmal ganz
gelogen. Küssen kann er noch am besten.
     
    Lili
    Manches scheint doch so zu sein, wie es scheint. Eben hat Emma
mich angerufen. Immerhin bevor sie Ella angerufen hat. Er ist so toll und so dies
und so jenes... ich höre nicht so genau hin.
    Nebenbei mache ich meine Mathehausaufgaben, die Emma morgen von
mir abschreiben wird, so wie jeden Tag… Als ich mich gerade an die zweite
Textaufgabe mache – Ruth ist 10 Jahre alt, ihr Vater ist drei mal so alt wie
ihr Onkel war, als Roth zwei wurde und – da höre ich das Wort küsst und
ich unterbreche sie. „Was?!“ schreie ich in den Hörer.
    „Ja hast du mir gar nicht zugehört? Ich habe gesagt, dass er
genauso gut küsst wie er aussieht...“
    Als ich abends in meinem Bett liege, versuche ich krampfhaft mir
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