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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition)
Autoren: Dawn French
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dich in Stücke reißen. Mit ihren scharfen Zähnen. Fünf Reihen messerscharfe, nach innen zeigende Zähne. Dreitausend Stück.«
    »Ich weiß. Aber keine Sorge. Ich wurde nur ein bisschen angeknabbert. Mehr nicht.«
    »Okay. Solange es dir nur gutgeht.«
    »Tut es.«
    »Weißt du, wie man einen Haiangriff am besten abwehrt? Einfach mitten auf die Nase schlagen.«
    »Das stimmt. Genau das habe ich getan.«
    »Oder man sticht ihnen mit einem spitzen Gegenstand die Augen aus.«
    Auf dem Heimweg bat sie mich, mit ihr zu Dads Grab zu fahren. Arm in Arm standen wir eine Weile davor und dachten an ihn.
    »Er kann bestimmt nicht glauben, dass du schon fünfzig wirst, Mo. Jede Wette.«
    »Ich weiß noch nicht mal, ob ich es kann.«
    »Er hat sich so sehr ein kleines Mädchen gewünscht. Und ist beinahe vor Stolz geplatzt, als du zur Welt kamst. Seine Brust war mindestens doppelt so breit wie sonst.«
    »Das ist schön. Anständige Männer lieben ihre Töchter immer ganz besonders.«
    »Das stimmt. Wir lieben dich beide sehr. Jeden Zentimeter und jedes deiner fünfzig Jahre.«
    »Sei bloß still, du sentimentale alte Schachtel.«
    Ich setzte sie zu Hause ab, aber sie wollte mich erst gehen lassen, nachdem sie ihre »Schatzkiste« unter dem Bett hervorgekramt und Dads alte Armbanduhr herausgenommen hatte. Sie drückte sie mir in die Hand und sagte: »Sieh zu, dass du das richtige Zuhause für sie findest, ja? Irgendeines, wo sie sicher ist.«
    Wir plauderten noch eine Weile über Doras Casting bei X Factor . Ich schilderte ihr, dass ich mit ihr hingefahren war. Dora war hineingegangen und nach zwei Minuten wieder herausgekommen. Sie sei in der nächsten Runde, meinte sie, was bedeutete, sie dürfe vor Simon Cowell und den anderen Juroren singen. Sie war völlig aus dem Häuschen und musste beinahe weinen vor Glück.
    Auf dem Rückweg rief sie plötzlich: »Nicht weiter!«
    Erschrocken hielt ich an.
    »Nein, nicht anhalten! Ich will nicht … ich meine, jetzt … im Wagen, ja? Ich rede von X Factor . Ich mache nicht weiter, denn wenn ich jetzt aufhöre, kann ich mir immer sagen, dass ich es hätte schaffen können, aber wenn ich weitermache, werde ich irgendwann rausfliegen und mich total gewöhnlich fühlen. Aber ich will lieber jetzt aussteigen und weiter davon träumen. Aber immer noch ich sein … verstehst du, was ich meine?«
    Es war typisch Doras pessimistische Logik, zugleich aber auch genial. Sie bewahrte sich ihre Träume, verfeinerte ihre Überlebensmechanismen und sah den Tatsachen endlich ins Gesicht. Prima, Mädchen! Den Rest der Fahrt schwärmte sie, wie toll es werden würde, an der Manchester Metropolitan Ernährungswissenschaften zu studieren, und wie durchtrainiert die Jungs dort seien. Scheint, als wäre meine Kleine ein Stück erwachsener geworden.
    Mein Geburtstag wurde eher im kleinen Rahmen begangen, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich bin fünfzig. Und ich kann es tatsächlich glauben, weil es wahr ist.
    Die Kinder und Pamela haben mir Champagner und Rote-Bete-Kuchen mit einer Riesenportion Schlagsahne ans Bett gebracht. Wir haben uns damit vollgestopft, bis uns schlecht war. Es war toll. Dann kamen die Geschenke. Die unglaublichen, wunderschönen Geschenke. Pamela überreichte mir endlich meinen tollen Mantel, den ich sofort an- und den ganzen Tag lang nicht mehr ausgezogen habe, drinnen und draußen. Von Oscar bekam ich ein selbstgeschriebenes Gedicht, sehr Shakespeare-mäßig, in dem er meine Tugenden über den grünen Klee lobt. Mein Mund, zwei dünne mokkabraune Striche, grüne Augen mit Deckeln, ein Hals, acht Kinne und so weiter … Frecher Rotzlöffel.
    Dora hat mich mit ihrer Abschlussarbeit aus dem Kunstunterricht völlig von den Socken gehauen. Es ist ein Triptychon aus drei Zeichnungen mit dem Titel »Schönheit geteilt im Spiegel der Zeit«. Es ist ein Kohleporträt von Pamela, eines von mir und schließlich eines von ihr selbst, was mich ganz besonders gefreut hat, weil sie sich und mich und das Wort »Schönheit« in einem Atemzug genannt hat. Am Ende hat sie sich also doch erweichen lassen. Sich den Tatsachen gefügt. Da wären wir also – drei Generationen unserer Familie, Frauen, auf so tiefschürfende Weise miteinander verbunden. Sie hat uns mit einer solchen Liebe zum Detail festgehalten. All die Makel, die ich zuvor auf Mums Gesicht und später auf meinem eigenen im Spiegel entdeckt habe, waren da, doch ganz bezaubernd von Dora interpretiert. Genau diese Gesichter haben sie
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