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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition)
Autoren: Dawn French
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war halb geschlossen, und ich sah, dass seine Zähne mit einem kompliziert aussehenden Geflecht aus Drähten fixiert waren.
    »Oh Gott, Noel, was ist passiert?«
    »Es tut mir leid …« Ich konnte ihn wegen des Drahtgestells kaum verstehen.
    »Hattest du einen Unfall?«
    »Ich muss los. Es tut mir leid …«
    Zum ersten Mal sah er mir richtig ins Gesicht.
    »Es tut mir leid … ich habe … ich bin … ich wollte niemandem weh tun … ehrlich nicht.«
    Er sah mir in die Augen. In ihnen lag dieselbe Intensität, die ich so gut kannte, nur war sie nun vermischt mit etwas, das wie aufrichtige Scham aussah. Jedes seiner Worte traf mich wie ein Schlag in den Magen. In diesem Augenblick wusste ich es. Er war X -Man. Er hatte dafür gesorgt, dass ich aus dem Weg war, dass ich mich wie ein erbärmliches Schulmädchen in diesem schäbigen roten Hotelzimmer nach ihm verzehrte, damit er sich in aller Ruhe mit Dora treffen konnte … nur dass er stattdessen meinem reizenden Ehemann in die Arme gelaufen war.
    Schlagartig übertrug sich seine Scham auf mich, denn ebenso wie er hatte auch ich allen Grund dazu. Ich hatte ihm seine schmutzige Geschichte so leichtsinnig, so bereitwillig abgekauft und ihm damit geradewegs in seine schmutzigen kleinen Hände gespielt.
    Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen …
    »Ich mag dich wirklich …«
    Ich holte aus und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
    »He! Hören Sie sofort auf damit! Der Mann hat sich weh getan, das sehen Sie doch!«
    »Ja. Das hat er. Und allen anderen auch … Hau ab. Hau auf der Stelle ab, verschwinde, verdammt noch mal!«
    Er stieg ein. Das Taxi fuhr davon, während ich zitternd am Straßenrand zurückblieb. Zitternd vor Wut, vor Reue und vor Scham.

ACHTZIG
    MO
    Zwei Monate später …
    Tja. Oktober. Der Winter ist noch nicht richtig da, aber die Bäume tragen bereits ihre Übergangsmäntel. Und ich meinen neuen Wintermantel. Pamela und ich waren in Bath beim Shoppen, und sie wollte wissen, was ich mir von ihr zum Fünfzigsten wünsche. Ich musste keine Sekunde überlegen …
    »Ich glaube, ich hätte gern einen neuen Mantel, Mum. Und zwar nichts in Braun oder Grau. Sondern etwas Buntes und Optimistisches.«
    Ich fand ihn in einem winzigen Laden für Übergrößen – schon witzig, wie ein Laden, in dem Kleider für besonders hochgewachsene Menschen verkauft werden, so winzig sein kann, dass nur ein einzelner Kunde neben der hageren Verkäuferin im Gang stehen kann. Pamela musste draußen in der Kälte bleiben und mir durchs Schaufenster zeigen, wie sie die Sachen fand. Eine ziemlich umständliche Angelegenheit, doch beschleunigte es den Einkauf ungemein. Schon beim Anblick des Ärmels eines der Mäntel auf dem Ständer wusste ich, dass wir beide gemeinsam durch den nächsten Winter gehen würden. Er ist schwarz mit einem Muster aus großen roten Rosen und hellgrünen Blättern, was einen phantastischen Kontrast bildet. Es ist eines dieser Muster, die einen wie ein Sofa auf Beinen aussehen lassen können, wenn es nicht richtig passt, an der richtigen Trägerin hingegen verströmt es die Aura von Selbstbewusstsein und guter Laune. Und genau so ist es in diesem Fall auch. Ich bin absolut begeistert. Der Mantel stammt aus der Kollektion einer Designerin namens Ann-Louise Roswald, deren hübsches Etikett unter einer kleinen Kette als Aufhänger von Hand eingenäht ist. Was für ein kecker Name. Genauso keck wie der Mantel selbst. Am liebsten würde ich dieser Frau vor Dankbarkeit um den Hals fallen, weil sie so etwas Wunderschönes erschaffen hat, das mir so gut steht. Eigentlich sollte ich den Mantel nur »für besondere Gelegenheiten« tragen, aber das werde ich nicht tun. Nein, ich werde ihn jeden Tag tragen, damit ich mich nie wieder als graue Maus in einem Schaufenster ertappe. Stattdessen werde ich, wenn ich mich selbst sehe, ein riesiger Strauß Blumen sein. Was tausendmal besser ist. Als wir uns endlich in ein Café setzten, um eine Tasse Tee und ein Stück »Nicht so gut wie meiner, aber ich will ja nicht meckern«-Kuchen zu uns zu nehmen, traf Pamela den Nagel in ihrer bewährten Weisheit wieder einmal auf den Kopf.
    »Bist du jetzt wieder klar im Kopf?«
    »Ja. Danke, Mum.«
    »Kein Abgrund mehr vor dir?«
    »Nein. Wieder auf festem Boden. Ich spüre ihn ganz klar unter den Füßen. Fest und solide wie gewohnt.«
    »Das ist gut, denn in diesen Gewässern da draußen schwimmen viele Haie.«
    »Das ist wahr. Allerdings.«
    »Sie können
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