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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen
Autoren: David Schnarch
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Konflikt entsteht (in dem es nicht unbedingt um Sex gehen muss), ist klar, wer welche Position besetzt.
    Niemand ist der verlangensschwache – oder verlangensstarke – Partner in jeder Hinsicht, sondern die beiden Positionen werden je nach Thema unterschiedlich besetzt. Ist Ihr sexuelles Verlangen stark, ist das Verlangen Ihrer Partnerin möglicherweise hinsichtlich des Bedürfnisses nach Intimität (Nähe) stärker. Oder Sie sind der verlangensstarke Partner bezüglich Sex oder Intimität und der verlangensschwache hinsichtlich Monogamie und Familiengründung. Ganz gleich, ob es um Sex geht, darum, zusammenzuziehen, die Kinder zu erziehen – oder keine Kinder zu bekommen – oder Freunde oder Schwiegereltern zu besuchen, in jedem Fall sind Sie entweder der verlangensstärkere oder der verlangensschwächere Partner.
    Â»Schwaches Verlangen« und »starkes Verlangen« sind in einer Beziehung relative Positionen
    Falls Sie der Partner mit dem schwächeren sexuellen Verlangen sind, bedeutet dies nicht, dass Sie kein (oder fast kein) Verlangen haben. Wenn Sie sich beispielsweise einmal pro Woche Sex wünschen, Ihrem Partner jedoch wären zweimal pro Woche lieber, sind Sie in dieser Hinsicht der Partner mit dem schwächeren Verlangen. Wollte Ihr Partner hingegen gar keinen Sex, wären Sie der Partner mit dem stärkeren Verlangen. Exakt die gleiche Verlangensstärke macht Sie also in der einen Beziehung zum verlangensstarken und in einer anderen zum verlangensschwachen Partner. Ihr sexuelles Verlangen ist nicht einfach schon deshalb»stark« oder »schwach«, weil es sich dabei um einen biologischen Trieb handelt oder weil sich das aus Ihrem bisherigen Leben so ergibt oder weil Sie so auf Sex stehen, sondern dies hängt immer von einem Maßstab ab, an dem Sie Ihr Verlangen messen – und in der Regel ist das Ihr Partner!
    Es gibt keine »korrekte« Häufigkeit sexueller Aktivitäten. Wenn Ihnen erst einmal klar geworden ist, dass »schwaches Verlangen« und »starkes Verlangen« immer relative Positionen sind, erübrigt es sich, darüber zu streiten, wie »normal« oder »gesund« Verlangen grundsätzlich ist. Nun dürfte Ihnen klar sein, wie häufig Sie nach meiner Auffassung Sex haben »sollten«: Wenn Sie und Ihr Partner mit dem, was Sie tun oder nicht tun, glücklich sind, bin auch ich damit zufrieden.
    Nun mag Ihnen meine Unterscheidung zwischen einem verlangensstarken und einem verlangensschwachen Partner aufgrund meiner Erklärung als einleuchtend und logisch erscheinen; doch möchte ich darauf hinweisen, dass diese Sichtweise nicht existierte, bevor ich meinen Ansatz entwickelte. Dafür musste ich zuerst das herkömmliche Verständnis sexuellen Verlangens überwinden. Therapeuten suchen nach den Ursachen von Problemen, die das sexuelle Verlangen betrafen, bisher »in« ihren Patienten. Obwohl ich in meiner Ausbildung zum Therapeuten erstaunlich viel gelernt habe, bin ich nie auf eine Vorstellung wie die von einer Ergänzung zwischen einem Partner mit starkem und einem mit schwachem Verlangen gestoßen. 3 Aufgrund dieser neuen Sicht- und Denkweise veränderte sich mein Umgang mit Problemen des sexuellen Verlangens sehr stark, und ich erzielte infolgedessen in meiner Arbeit mit Klienten erheblich größere Erfolge.
    Auch Sie müssen Ihre Sicht verändern, indem Sie beispielsweise nicht weiter davon ausgehen, dass schwaches Verlangen eine persönliche Eigenart sei. Es kommt gar nicht so selten vor, dass der Partner, der zu Beginn einer Beziehung das stärkere Verlangen hat, später derjenige mit dem schwächeren Verlangen ist (und umgekehrt). Wenn Ihnen völlig klar ist, dass »starkes Verlangen« und »schwaches Verlangen« keine Charakterzüge sind, geraten Sie wegen der Stärke oder Schwäche Ihres persönlichen sexuellen Verlangens nicht mehr so leicht in die Defensive. Insbesondere für Menschen mit schwachem sexuellem Verlangen gilt, dass sie sich dann nicht mehr so unzulänglich fühlen. Vielmehr begegnen Sie Ihrem Partner von gleich zu gleich und können auf Augenhöhe mit ihm verhandeln.
    Auf Connie und Brett wirkte meine Unterscheidung zwischen einem verlangensstarken und einem verlangensschwachen Partner wie ein Weckruf. Sie reagierten nicht mehr übertrieben heftig aufeinander, und verbale Rangeleien wurden seltener
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