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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen
Autoren: David Schnarch
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weil sie das sexuelle Verlangen als unpersönlich hinstellt.
    Â»Just do it!« empfiehlt sich nicht
    Eine andere Theorie, die alles nur noch schlimmer macht, ist die Ermunterung »Tu’ es einfach!«. Brett hatte zu Connie immer wieder gesagt: »Tu’ es einfach!« Aber das hatte beide nicht weitergebracht. Und Connie hatte sogar selbst immer wieder versucht, sich einzureden: »Tu’ es einfach!«, ebenfalls ohne Erfolg. Wenn Experten ständig ihr anfeuerndes »Tut es einfach!« vom Stapel lassen – was sie ziemlich oft tun –, ist es eigentlich nicht überraschend, dass Therapien so häufig misslingen.
    Der Therapeut, bei dem Connie und Brett vorher gewesen waren, hatte beiden als Hausaufgabe »Berührungsübungen« empfohlen. Connie hatten diese Übungen nicht zugesagt, und vor allem hatte ihr nicht gefallen, dass jemand ihr vorschrieb, was sie tun sollte. Auf ihren Einwand hin gab der Therapeut ihr den Rat, die Übungen auch auszuführen, wenn sie dies nicht wolle. Vielleicht bekomme sie ja Lust auf Sex, wenn die Berührungen sie erst einmal erregt hätten. Um seine Empfehlung zu unterstreichen, führte der Therapeut an, es gebe wissenschaftliche Untersuchungen, aus denen hervorgehe, dass Sex die Hormonproduktion anrege und diese die chemischen Prozesse im Gehirn so beeinflusse, dass man Sex wolle. Diese Entwicklung werde initiiert, wenn Connie »es« einfach tue, und sie brauche sich dann nicht mehr zu zwingen. Der Therapeut hatte dem Paar außerdem zu möglichst häufigem Sex während der nächstenbeiden Wochen geraten, auch wenn Connie dies nicht wolle. Vielleicht werde sie zu ihrer eigenen Überraschung erleben, dass es ihr gefalle, und vermutlich werde sie sich schon allein deshalb besser fühlen, weil sie Brett stärker entgegenkomme.
    Connie erklärte mir ohne Umschweife, diese Art, mit dem Problem umzugehen, gefalle ihr nicht. Die Methode habe ihr überhaupt nicht geholfen, und sie sei nicht mehr bereit »es einfach zu tun«, falls auch ich ihr dies empfehlen würde. Ich versicherte ihr, mir sei schon vor 30 Jahren klargeworden, dass die »Tu’ es einfach!«-Methode problematisch sei. Diese war im Rahmen der allerersten Bemühungen von Ärzten und Psychotherapeuten entstanden, Probleme des sexuellen Verlangens zu behandeln. Den vielen Klienten, denen die empfohlenen Berührungsübungen nicht gefielen, wurde einfach gesagt: »Tun Sie es trotzdem!« Die damaligen Kliniker dachten keinen Augenblick lang darüber nach, was es bedeutete, einen Partner mit schwachem Verlangen zu sexueller Aktivität aufzufordern, obwohl er dies gar nicht wollte – was manchmal sogar darin gipfelte, dass Klientinnen zum Sex mit einem Partner aufgefordert wurden, den sie nicht mochten! Man empfahl dem verlangensschwachen Partner dann, sich auf die eigenen sexuellen Empfindungen zu konzentrieren und sich vorzustellen, er sei mit einer anderen Person zusammen. 1
    Ich erklärte Connie, dass Therapeuten, Ärzte und Priester den Just-do-it -Ansatz schon entdeckt hätten, als noch niemand daran dachte, ihn zum Werbeslogan für Sportschuhe zu machen. Doch Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Beziehungssituation vieler Paare nach Abschluss einer Just-do-it -Therapie nicht verbesserte. Bei einigen lebte der Sex zwar kurzfristig auf, doch kam es dadurch nicht zu einer generellen Stärkung des sexuellen Verlangens. Die meisten waren nach spätestens zwei Jahren wieder genau an dem Punkt, an dem sie vor Beginn ihrer Therapie gestanden hatten. 2 Diese Situation stand mir sehr klar vor Augen, als ich vor drei Jahrzehnten den Crucible ® -Ansatz entwickelte, den ich später in diesem Buch eingehender erläutern werde.
    Ich nannte Connie noch weitere Gründe dafür, dass ich sie nicht mit »Just do it!« unter Druck setzen würde. Erstens wollte ich vermeiden, dass ihr grundlegendes Reaktionsschema »Sag mir nicht, was ich tun soll!« aktiviert würde. Zweitens sei ich nicht der Auffassung, dass mit ihrem Verlangen in seinem momentanen Zustand etwas nicht in Ordnung sei. Ich sagte: »Viele verlangensschwache Partner hassen den »Tu’ es einfach«-Ansatz, weil er unpersönlichen Sex fördert. Wenn Ihr Verlangen durch einen Mangel an Intimität geschwächtist, wird die Situation durch »Tu’ es einfach« nur noch schlimmer. Sie erhalten dann nämlich
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