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Intensity

Intensity

Titel: Intensity
Autoren: Dean R. Koontz
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Lenkrad gekauert. Kurzgeschnittenes silbergraues Haar. Sie war mindestens fünfundsiebzig gewesen und sechzig Stundenkilometer gefahren. Woltz hätte den Mercedes überholen können, das war hier erlaubt gewesen, und auf dem absolut flachen Highway war meilenweit kein anderes Auto in Sicht gewesen.
    »Aber er hatte irgendwas genommen und war high«, erzählte Chyna; sie hatte die Augen noch immer geschlossen und sah mit wachsendem Schrecken die Erinnerung wie einen Film auf einer Leinwand hinter ihren Augen ablaufen. »Er war meistens auf irgendwas drauf. Vielleicht war es an diesem Tag Kokain. Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht daran. Er hat auch getrunken. Beide haben getrunken, er und meine Mutter. Sie hatten eine Kühltasche mit Eis dabei. Flaschen mit Grapefruitsaft und Wodka. Die alte Lady in dem Mercedes fuhr wirklich langsam, und das trieb Woltz auf die Palme. Er konnte nicht mehr klar denken. Was interessierte ihn das überhaupt? Er hätte sie überholen können. Aber daß sie auf dem breiten, schnurgeraden Highway so langsam fuhr, machte ihn wütend. Stoff und Schnaps, das war seine Welt. Er war weggetreten. Und wenn er wütend war … sein Gesicht war rot, die Adern pochten in seinem Hals, die Nackenmuskeln traten hervor. Niemand konnte so absolut wütend werden wie Jim Woltz. Seine Wutausbrüche stachelten Mutter auf. Erregten sie geradezu. Also stachelte sie ihn an, ermutigte ihn. Ich saß auf dem Rücksitz, drückte mich in die Ecke, bat sie aufzuhören, aber sie lag ihm weiter in den Ohren.«
    Eine Weile war Woltz dicht hinter dem anderen Wagen geblieben und hatte ständig auf die Hupe gedrückt, um das ältere Ehepaar zu einer schnelleren Gangart anzutreiben. Ein paarmal hatte er der hinteren Stoßstange des Mercedes mit dem Cadillac einen Stoß gegeben, Metall quietschte an Metall. Schließlich war die alte Frau völlig durcheinandergeraten und hatte den Wagen unregelmäßig von einer Straßenseite zur anderen gezogen. Da Woltz so dicht hinter ihr war, hatte sie Angst gehabt, schneller zu fahren, aber sie war ebenfalls zu verstört gewesen, um an den Straßenrand zu fahren und ihn vorbeiziehen zu lassen.
    »Natürlich« sagte Chyna, »hätte er sie nicht einfach überholt und in Ruhe gelassen. Da war er schon zu durchgeknallt. Hätte sie angehalten, hätte er ebenfalls gestoppt. Es hätte auf jeden Fall ein schlimmes Ende genommen.«
    Woltz war ein paarmal neben den Mercedes gezogen, auf der Gegenfahrbahn neben ihm hergefahren, hatte das weißhaarige Ehepaar angebrüllt und ihm mit der Faust gedroht. Anfangs hatten sie versucht, ihn zu ignorieren, dann hatten sie mit ängstlich aufgerissenen Augen zu ihm herübergeschaut. Anstatt sie zu überholen und in seiner Staubwolke zurückzulassen, hatte er sich jedesmal wieder zurückfallen lassen und mit ihrer hinteren Stoßstange Fangen gespielt. Diese Schikanen waren für Woltz in seinem Drogenfieber und Alkoholdunst eine todernste Sache mit einer Bedeutung und Wichtigkeit gewesen, die niemand nachvollziehen konnte, der clean und nüchtern war. Für Chynas Mutter Anne war das alles ein Spiel gewesen, ein Abenteuer, und sie war es, die in ihrer unaufhörlichen Suche nach Aufregungen gesagt hatte: Warum machen wir nicht ‘ne kleine Fahrprüfung mit ihr? – ‘Ne Fahrprüfung? hatte Woltz gemeint. Ich seh’ auch ohne Prüfung, daß die alte Schachtel ganz beschissen fährt! Als Woltz wieder neben den Mercedes gezogen und neben ihm hergefahren war, hatte Anne gesagt: Ich meine, mal sehen, ob sie den Wagen auf der Straße halten kann. Ob sie das noch packt.
    »Parallel zur Straße verlief ein Kanal«, erinnerte sich Chyna, »einer dieser Abzugsgräben, die man in Florida an einigen Highways sieht. Nicht tief, aber tief genug. Woltz drängte den Mercedes mit dem Cadillac auf die Seite. Die Frau hätte ihn zurückstoßen, in die andere Richtung drängen sollen. Sie hätte das Gaspedal durchtreten, ordentlich Tempo machen und sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen sollen. Der Mercedes hätte den Cadillac problemlos abhängen können. Aber sie war alt und verängstigt und noch nie solchen Leuten begegnet. Sie konnte es wohl einfach nicht fassen, nicht begreifen, mit was für Leuten sie es zu tun hatte, und ihr war nicht klar, wie weit sie gehen würden, wo sie und ihr Mann den Leuten doch nichts getan hatten. Woltz drängte sie von der Straße. Der Mercedes rollte in den Kanal.«
    Woltz hatte angehalten und den Rückwärtsgang eingelegt und war zu
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