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Intensity

Intensity

Titel: Intensity
Autoren: Dean R. Koontz
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Täuschungstalent des Menschen war viel größer als das des Chamäleons, des Kuckucks oder der gefräßigen Gottesanbeterin, die ihren Kannibalismus hinter einer Maske der Gelassenheit und Gottesfurcht verbarg.
    Nach den gedämpften Schreien und dem leisen Poltern senkte die Stille sich wie Schnee auf das Haus. Die Ruhe war unheimlich tief und so unnatürlich wie die, in der Taube leben müssen. Es war die Ruhe vor dem Sturm, die Stille der zusammengerollten Schlange.
    In einem anderen Teil des Hauses stand jemand genauso reglos da wie sie, so aufmerksam wie sie, so konzentriert lauschend. Eine gefährliche Person. Sie spürte seine raubtierhafte Gegenwart, einen leicht erhöhten Luftdruck, nicht unähnlich dem, der einem heftigen Gewitter vorangeht.
    Sechs Jahre Psychologiestudium bewirkten, daß sie ihre erste ängstliche Interpretation dieser nächtlichen Geräusche sofort in Frage stellen wollte, die ja schließlich durchaus völlig unbedeutend sein konnten. Gut ausgebildete Psychoanalytiker hielten eine Menge Schubladen für jemanden bereit, der immer gleich das Schlimmste annahm und ständig in Erwartung plötzlich ausbrechender Gewalt lebte.
    Doch sie mußte ihrem Instinkt vertrauen, der durch viele Jahre harter Erfahrung geschärft war.
    Intuitiv überzeugt, daß nur Bewegung Sicherheit bot, ging sie leise vom Sessel am Fenster zur Zimmertür. Trotz des Mondscheins hatten ihre Augen sich in den zwei Stunden, die sie in dem lichtlosen Raum gesessen hatte, an die Dunkelheit gewöhnt, und nun schritt sie ohne Angst, gegen Möbelstücke zu tappen, durch das Halbdunkel.
    Sie hatte erst die halbe Strecke zur Tür zurückgelegt, als sie hörte, daß sich auf dem Flur des ersten Stocks Schritte näherten. Der schwere, eilige Gang war fremd für dieses Haus.
    Ohne sich erst auf die end- und haltlosen Vermutungen einzulassen, die man während einer Ausbildung in Psychologie anzustellen lernte, griff Chyna auf die Intuition und die Abwehrmechanismen der Kindheit zurück und huschte schnell zum Bett. Sie ließ sich auf die Knie fallen.
    Ein Stück entfernt im Gang verstummten die Schritte. Eine Tür wurde geöffnet.
    Sie war sich bewußt, wie absurd es war, mit dem bloßen Öffnen einer Tür ein Gefühl wie Raserei zu verbinden. Das Klappern eines Türknopfs, der gedreht wurde, das Schnarren des ungesicherten Riegels, der spitze Protest eines ungeölten Scharniers – das waren lediglich Geräusche, nicht sanftmütig oder wütend, schuldig oder unschuldig, Geräusche, die sowohl ein Priester als auch ein Einbrecher hätte verursachen können. Doch sie wußte , daß draußen in der Dunkelheit ein Rasender am Werk war.
    Sie legte sich flach auf den Bauch und zwängte sich mit den Füßen zum Kopfteil unter das Bett. Es war ein elegantes Möbelstück mit stabilen Galbe-Beinen, das zum Glück nicht so knapp über dem Boden lag wie die meisten Betten. Zwei Zentimeter Spielraum weniger, und sie hätte sich nicht darunter verstecken können.
    Auf dem Korridor wieder Schritte.
    Eine andere Tür wurde geöffnet – die des Gästezimmers, direkt gegenüber vom Fuß des Bettes.
    Jemand schaltete das Licht an.
    Chyna lag flach auf dem Boden, den Kopf zur Seite gedreht, das rechte Ohr auf den Teppich gedrückt. Als sie am Fußende hinausschaute, konnte sie schwarze Männerstiefel und Jeans bis zu halber Wadenhöhe ausmachen.
    Er blieb auf der Schwelle stehen und sah sich offenbar im Raum um. Er würde ein Bett sehen, das um ein Uhr morgens noch nicht benutzt war, mit vier bestickten Kissen, die vor dem Kopfteil arrangiert waren.
    Sie hatte nichts auf den Nachttisch gestellt. Keine Kleidungsstücke über Stühle geworfen. Das Taschenbuch, in dem sie abends vor dem Einschlafen hatte lesen wollen, lag in einer Schublade der Kommode.
    Sie zog Räume vor, die sauber und bis hin zur klösterlichen Sterilität aufgeräumt waren. Ihre Vorliebe würde ihr jetzt vielleicht das Leben retten.
    Erneut flackerte ein schwacher Zweifel in ihr auf, die anerzogene Neigung zur Selbstanalyse, die alle Psychologiestudenten plagte. Falls der Mann auf der Schwelle sich rechtmäßig im Haus befand – falls es sich um Paul Templeton oder Lauras Bruder Jack handelte, der mit seiner Frau im Bungalow des Verwalters ganz in der Nähe wohnte – und es zu irgendeiner Krise gekommen war, die erklärte, wieso er in den Raum geplatzt war, ohne vorher anzuklopfen, würde sie als ausgemachte Närrin, wenn nicht sogar als hysterisch dastehen, wenn sie unter dem Bett
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