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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt
Autoren: Simon Kernick
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hier.«
    »Ich hatte alle Hände voll zu tun, das unter den Teppich zu kehren, was Sie angerichtet haben«, erwiderte er verdrossen und setzte sich. Ich bemerkte, dass er mir nichts mitgebracht hatte, nicht einmal ein Kärtchen, aber Captain Bob war noch nie wegen übermäßiger Großzügigkeit aufgefallen.
    »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Sean?«
    »Sie wissen, was ich mir dabei gedacht habe. Ich wollte, dass meinem Bruder Gerechtigkeit widerfährt.«
    »Sie meinen wohl Rache, denn das hatte nichts mit Gerechtigkeit zu tun.«
    »Wenn Sie gekommen sind, um mir Vorträge zu halten, vergeuden Sie nur Ihre Zeit.«
    »Will ich ja nicht. Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht. Und Ihnen mitteilen, dass ich bei den Kollegen, die in diesem jämmerlichen Fall ermitteln, ein gutes Wort für Sie eingelegt habe. Ich hoffe, sie verzichten darauf, Anklage zu erheben, aber ich will ganz ehrlich sein, Sean: Ihre Karriere ist am Ende.«
    »Das habe ich angenommen.« Mir war längst klargeworden, dass es so kommen würde, dennoch versetzte mir die Endgültigkeit seiner Erklärung einen Schlag.
    »Es tut mir leid«, sagte er und gab sich alle Mühe, es auch so klingen zu lassen. »Da ist noch etwas. Man hat mich gebeten hierherzukommen, um Ihre Kündigung entgegenzunehmen. Machen Sie Stress und Erschöpfungssymptome geltend, wir akzeptieren das dann, und Sie erhalten Ihre volle Pension. Und ich kann Ihnen jetzt schon versprechen, dass dies der einfachere Weg ist.«
    Sein Ton war höflich, aber die Drohung hinter seinen Worten war unmissverständlich. Sie wollten mich loswerden und würden dabei vor nichts zurückschrecken.
    »Was ist die Alternative?«
    »Dass es schmutzig wird.«
    Ein Teil der Medien mochte mich zwar zum Helden erkoren haben, trotzdem würde dies kaum die Bosse aufhalten. Ich war eine Schande für die Polizei, und ich musste gehen. Ich hätte kämpfen können, doch die letzten Wochen hatten ihren Tribut gefordert, und ich hatte vollbracht, was ich mir vorgenommen hatte. Es war an der Zeit, sich vom Schlachtfeld zurückzuziehen.
    »Also gut«, erwiderte ich. »Dann kündige ich, wenn es das ist, was Sie wollen.«
    »Ich will gar nichts, aber Sie haben uns keine andere Wahl gelassen. Sie haben einen mutmaßlichen Täter aus Polizeigewahrsam befreit und ihn umgebracht, ehe er auch nur in die Nähe eines Gerichtssaals kam.«
    »Ich habe dazu beigetragen, einen großen Fall zu knacken, der zur Demaskierung eines korrupten Politikers geführt hat«, gab ich verletzt von seiner Kritik zurück. »Und das ist noch nicht alles. Paul Wise, der Gangster, der hinter allem steckt, ist ebenfalls fällig.«
    Captain Bobs Augen verengten sich zu Schlitzen. »Wie wollen Sie das wissen?«
    »Tina Boyd hat eine Aufnahme von Anthony Gores Geständnis, in dem er Wise schwer belastet.«
    Doch kaum hatte ich das gesagt, bereute ich es schon zutiefst. Das Letzte, was ich brauchte, war, einen Establishment-Typen wie Captain Bob mit Informationen zu füttern.
    »Ich dachte, es gäbe keine Aufnahme. Zumindest hat sie das ihrem Boss gesagt.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich was falsch verstanden.«
    Er sah mich an, als glaubte er mir kein Wort, verfolgte die Sache aber nicht weiter. Stattdessen sprang er nach ein paar Sekunden angespannten Schweigens auf und sagte, er müsse gehen.
    »Sie waren ein ausgezeichneter Ermittler, Sean, und es hat mir wirklich Spaß gemacht, mit Ihnen zu arbeiten. Wir werden Sie vermissen, denn Sie haben sich wacker geschlagen.«
    Er reichte mir flüchtig die Hand, wünschte mir alles Gute und eilte aus dem Zimmer, als verfolgte ihn ein widerlicher Gestank.
    Ich fragte mich, ob ich Tina durch mein Geschwätz in ernste Schwierigkeiten gebracht hatte. Ich hatte keinen Zweifel, dass Captain Bob sein neu gewonnenes Wissen mit seinen Vorgesetzten teilen würde und dass sie versuchen würden, Tina zur Herausgabe der Aufzeichnung zu zwingen. Ich musste sie vorwarnen, aber dummerweise hatte ich nicht einmal eine Telefonnummer von ihr.
    Außerdem war ich hundemüde, und obwohl ich ein schlechtes Gewissen hatte, nicht wenigstens zu versuchen, sie zu informieren, driftete ich in einen ruhelosen Schlaf.
    Etwas ließ mich hochfahren. Etwas, das mich heftig irritierte. Leider wusste ich nicht genau, was.
    Die Digitaluhr an der Wand zeigte 21:53 Uhr, und ich stieg langsam aus dem Bett. Ich fühlte mich bereits deutlich besser, und die Ärzte stimmten darin überein, dass ich mich
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