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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt
Autoren: Simon Kernick
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bemerkenswert gut erholte. Mein rechtes Bein fühlte sich zwar ab da, wo mich die Kugel erwischt hatte, noch steif an, aber immerhin konnte ich schon wieder laufen. Ich zog meinen Bademantel an, griff nach meinen Krücken und machte mich auf die Suche nach einer Telefonzelle. Ich schuldete Tina etwas. Sie hatte mir mindestens ebenso das Leben gerettet wie ich ihr. Ohne sie wäre ich ohne Zweifel verblutet.
    Mitten auf dem Flur blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Ich musste mich an der Wand abstützen, weil mir plötzlich etwas einfiel, was Tommy gesagt hatte, als ich ihn in dem Rohbau mit vorgehaltener Waffe verhört hatte.
    Und die Erkenntnis dessen, was mich die ganze Zeit irritiert hatte, traf mich wie ein Schlag.
    Und auch, in welcher Gefahr Tina Boyd sich nun befand.

NEUNUNDFÜNFZIG
    Alpha betrachtete die Glock 34 mit dem vorgeschraubten 9mm-Schalldämpfer. Die Waffe bot einen merkwürdigen Anblick, sie war ihm vor drei Jahren für einen Notfall ausgehändigt worden, und soweit er wusste, war sie nicht registriert. Und bei der vorliegenden Situation handelte es sich definitiv um einen Notfall. Trotzdem hatte Alpha keine Lust, die Waffe zu benutzen. Er war kein Killer, war es nie gewesen. Er hatte seine Rolle innerhalb von Paul Wises Netzwerk stets auf die Besorgung von Information und Logistik beschränkt gesehen und sich selbst als Mann, der Wise dabei half, seine Geschäfte geräuschlos abzuwickeln, indem er ihn mit Angaben über geplante Razzien und andere Maßnahmen gegen den Waffen- und Drogenschmuggel versorgte. Doch in letzter Zeit hatte er immer häufiger extreme Aufträge erledigen müssen, zuletzt sogar die Verstümmelung einer toten Frau mit Hilfe eines Hammers. Nur um Wises höchsten und wertvollsten Kontakt innerhalb des Establishments zu schützen.
    Und nun dies.
    Die Anweisungen, die Wise höchstpersönlich am Telefon übermittelt hatte, waren klar und deutlich. Die Aufnahme, die Tina Boyd von Gores Geständnis gemacht hatte, besorgen. Sicherstellen, dass keine weiteren Kopien existierten. Tina Boyd töten. Als Wise den letzten Befehl ausstieß, hatte seine Stimme wütend und unmissverständlich geklungen. Offenbar reizten Tinas Aktionen ihn bis aufs Blut, und der Preis, den er für ihren Tod zu zahlen gewillt war, schien dies zu bestätigen. Sobald Alpha Boyds Tod vermelden konnte, sollte auf seinem panamaischen Bankkonto die Summe von einhundertfünfzigtausend Pfund eingehen.
    Alpha hatte keine Wahl. Zwar wollte er schon lange aus Wises Organisation aussteigen, doch so lief es natürlich nicht. Wise hatte ihn wissen lassen, dass er genügend Beweise gegen ihn in der Hand hatte, um ihn ein für alle Mal zu ruinieren.
    Der Job musste erledigt werden, und zwar jetzt gleich.
    Robin Samuel-Smith, seinen Kollegen vom CO10 besser bekannt als Captain Bob, holte tief Luft, schraubte den Schalldämpfer von der Glock und verstaute beides in einem Holster unter seinem Regenmantel. Dann verließ er seine luxuriöse Wohnung in Pimlico, die er mit Paul Wises Blutgeld gekauft hatte.

SECHZIG
    Von einer der Telefonzellen in der Nähe der Aufnahme rief ich Simon Tilley an, einen alten Kollegen aus Holborn-Zeiten, und überredete ihn, mir Tinas Adresse und Telefonnummer zu geben. Zum Glück musste ich ihm nicht die ganze Geschichte erzählen, denn er hatte mich bereits zweimal im Krankenhaus besucht, aber natürlich fragte er nach, warum ich Tinas Nummer wollte. Ich glaubte, er unterstellte mir romantische Motive, und fast hätte ich ihm von meinen Ängsten erzählt, aber ich fürchtete, er würde mich für verrückt halten. Stattdessen gab ich mich wortkarg und versprach, ihn in den nächsten Tagen anzurufen.
    Ich glaubte meine Theorie selbst nicht so recht. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass Captain Bob, der seit fast zehn Jahren mein Boss war, Alpha sein sollte, der Mann, der das Ganze organisiert hatte.
    Doch es passte. Tina dachte, Paul Wise selbst sei Alpha, aber das konnte nicht sein. Es musste jemand sein, der genug über die polizeilichen Ermittlungen im Night-Creeper-Fall wusste, um den Mord an Roisín O’Neill in dessen Schema einzupassen. Obwohl Bob selbst nicht an den Ermittlungen beteiligt war, bekam er durch seinen hohen Rang immer Akteneinsicht, wenn er es wollte.
    Ich wusste schon lange, dass Captain Bob über ausgezeichnete Verbindungen zur Londoner Unterwelt verfügte. Immerhin war er es ihm gelungen, den Kontrakt, den Jason Slade auf meinen Kopf ausgesetzt hatte, zu annullieren. Und dann
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