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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt
Autoren: Simon Kernick
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darin die Werkzeuge seiner perversen Leidenschaft aufbewahrte. Vor zehn Jahren noch hätte allein der Gedanke sie erschauern lassen, doch nun betrachtete sie ihn unbeeindruckt, während er in die ruhige Wohnstraße einbog, in der er seit viereinhalb Jahren lebte. Schlurfend wie ein weitabgewandter Teenager näherte er sich seinem Haus, das etwa dreißig Meter entfernt lag. Er sah aus, als könnte er kein Wässerchen trüben, und Tina musste innerlich grinsen. Nach fast zweijährigen Ermittlungen schienen sie ihn endlich am Haken zu haben. Und der Gedanke gefiel ihr außerordentlich.
    Sie nahm ihr Funkgerät und genoss die Vorfreude auf die wohlverdiente Überraschung, die Kent gleich erwartete. »Wagen Drei an alle Einheiten, der Verdächtige kommt aus nördlicher Richtung durch die Wisbey Crescent. Ihr müsstet jeden Augenblick Sichtkontakt haben.«
    »Wagen Eins an alle: Wir sind bereit«, bellte Tinas unmittelbarer Vorgesetzter, Detective Chief Inspector Dougie MacLeod zurück. MacLeod war der Chef des Camden Murder Investigation Teams oder des CMIT, wie die meisten Leute zu sagen pflegten.
    Wagen Zwei, Vier und Fünf gaben dieselbe Meldung durch. Heute waren sie in Sturmtruppenstärke ausgeschwärmt; allein in der Wisbey Crescent lauerten fünfzehn Zivilbeamte, und zwei Dutzend Uniformierte waren an vier strategischen Punkten in der Nähe platziert, um alle möglichen Fluchtwege abzuschneiden. Die Festnahme von Kent war eine hochrangige Angelegenheit, und die Met konnte sich keine Fehler erlauben.
    Doch als Kent gemächlich schlendernd fast das heruntergekommene Haus erreicht hatte, in dessen Erdgeschoss seine Wohnung lag, geschah etwas. Er schlurfte plötzlich noch langsamer, blieb schließlich keine zehn Meter von der Haustür entfernt stehen und musterte eines der dort parkenden Fahrzeuge. Es war ein weißer Ford Transit, auf dessen Seiten in großen Druckbuchstaben Tischlerei Renham & Son stand. Wagen Drei.
    In diesem Augenblick begriff Andrew Kent auf nicht erklärliche Weise, dass sie hinter ihm her waren.
    Er fuhr herum und lief los, gerade als MacLeods hektische Stimme ertönte: »Zugriff, los, los los!« Und in einer Kakophonie aus Schreien und Befehlen spuckten die vier Wagen die darin verborgenen Cops aus, die den Flüchtigen zu erwischen versuchten.
    Der Erste, der aus dem Transit sprang, war Detective Constable Dan Grier, der einsfünfundneunzig große blonde Polizeischulabsolvent, dem alle eine schnelle Karriere prophezeiten. Seine schlanken muskulösen Beine fraßen die Distanz zwischen ihm und Kent förmlich auf. Doch als Grier den Arm ausstreckte und nach seiner Beute schnappte, wandte sich Kent abrupt um, schlug Griers Arm mit der einen Hand weg und landete mit der anderen einen chirurgisch präzisen Karateschlag an der Gurgel des jungen Detectives. Fassungslos sah Tina Grier wie einen Sack Kartoffeln zu Boden gehen, während Kent, der mickrige, schlurfige Nerd, mit einem überraschenden Sidestep DC Anji Rodriguez auf dem falschen Fuß erwischte. Die drahtige Polizistin, die gerne herumposaunte, dass sie der Basketball-Jugendnationalmannschaft angehört hatte, stolperte wie eine unerfahrene Amateurin, als sie Kent packen wollte. Sie knickte um, knallte heftig auf das Pflaster und verwandelte sich in ein Hindernis für die hinter ihr heranstürmenden Kollegen. Prompt verhakte sich Detective Sergeant Simon Tilley beim Versuch, über sie hinwegzuspringen, und stürzte ebenfalls.
    Die ganze Szenerie wirkte surreal, wie eine Szene aus einer Stummfilmklamotte. Der Anblick des flüchtenden Kent, der sich wieder in die Richtung wandte, aus der er gekommen war, während mehr als ein Dutzend Cops, angeführt von einem keuchenden, hochroten DCI MacLeod, bei der Verfolgung übereinanderpurzelte, hätte lustig sein können, wäre der Mann nicht zu gefährlich gewesen, um ihn entwischen zu lassen.
    Tina wollte unbedingt bei der Festnahme dabei sein, sie hätte Kent am liebsten selbst die Handschellen angelegt, doch aufgrund einer Schussverletzung im Fuß, die sie sich letztes Jahr zugezogen hatte, humpelte sie, und zu ihrem Überdruss hatten die Ärzte sie noch immer nicht voll diensttauglich geschrieben. Deshalb musste sie die Aktion ihren Kollegen überlassen, was sie, während sie durch die Heckscheibe beobachtete, wie Kent sich schnell näherte, als bittere Ironie des Schicksals empfand.
    Widerwillig bewunderte sie sein Tempo und die Coolness, die er unter Druck bewies. Er kam näher und näher und
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