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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt
Autoren: Simon Kernick
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hinterließ kaum Spuren, und es gab keine Zeugen, die ihn gesehen hatten.
    Am Ende war es die gute alte hartnäckige Polizeiarbeit, die zu seiner Festnahme führte. Und niemand anderes als Tina selbst hatte den entscheidenden Hinweis entdeckt.
    Bei der Vernehmung eines engen Freundes des letzten Opfers hatte Tina herausgefunden, dass Adrienne Menzies’ Alarmanlage erst wenige Wochen zuvor installiert worden war, und der Techniker, der sie eingebaut hatte, habe Adrienne, so der Freund, »einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt«. Allerdings hatte Tina dieser vagen Bemerkung zunächst keine große Bedeutung beigemessen, und ihr Kollege, der junge aufstrebende DC Dan Grier, der sie bei der Vernehmung begleitete, hatte sie direkt wertlos gefunden. Doch dann hatte Tina noch einmal darüber nachgedacht. Kaum jemand konnte einfacher eine narrensichere Alarmanlage überwinden als die Person, die sie installiert hatte. Deshalb rief sie die Firmen an, die die Anlagen in den Wohnungen der anderen Opfer eingebaut hatten, und fragte sie nach dem Namen des Technikers, der die Arbeit ausgeführt hatte.
    Das Hochgefühl, das sie überkam, als alle Firmen denselben Namen zurückmeldeten, würde sie nie vergessen. Andrew Kent. Selbstständiger Ingenieur. Der seine Kenntnisse nutzte, um die Polizei in die Irre zu führen, und seine unabhängige Position, um sich seine Opfer nach Gutdünken auszusuchen. Der Killer.
    Jetzt hatten sie ihn. Und das war zu einem Großteil Tinas Verdienst.
    Sie nahm einen letzten tiefen Zug aus ihrer Zigarette, zertrat die Kippe und ignorierte den angewiderten Blick einer Endvierzigerin, die in der ersten Reihe der Schaulustigen stand, die sich an der rings um Kents Haus errichteten Absperrung drängten. Inzwischen dämmerte es, Kent war auf das Polizeirevier Holborn gebracht worden, wo man ihm seine DNS abnehmen und ihn verhören würde. Natürlich würde er zuvor die medizinische Versorgung bekommen, die er nach Tinas unkonventioneller Festnahme benötigte.
    In der Zwischenzeit mussten die Ermittler seine Wohnung nach Anhaltspunkten durchsuchen, die ihn mit den Morden in Verbindung brachten. Vor zwei Tagen, unmittelbar nachdem Kent zum Hauptverdächtigen avanciert war, hatten sie einen Durchsuchungsbefehl erwirkt, doch die Wohnung war so komplex gesichert, dass es trotz der hochqualifizierten Techniker, die sie angefordert hatten, unmöglich war, sein System zu umgehen, ohne ihn zu alarmieren. Nun jedoch besaßen sie Kents Schlüssel; Tina ignorierte den Schmerz in ihrem Fuß, streifte einen Plastikoverall über und humpelte zur Haustür. Sie hoffte inständig, in der Wohnung belastendes Material zu finden, denn bislang hatten sie nichts, was ihn mit seinen Opfern verband, außer der Tatsache, dass er deren Alarmanlagen installiert hatte. Das mochte zu viel sein, um es als Zufall zu erklären, aber bei weitem nicht genug, um eine Verurteilung wegen mehrfachen Mordes zu erreichen.
    »Wie geht’s deinem Nacken?«, fragte sie Dan Grier, als sie sich an der Haustür begegneten.
    »Er hat einen Glückstreffer gelandet«, antwortete er mit einem Hauch Feindseligkeit in der Stimme und rieb sich die Stelle durch das Plastik seines Overalls. »Außerdem habe ich nicht damit gerechnet.«
    »Ja, das habe ich gesehen. Fieser kleiner Drecksack, was?«
    »Er hat auf jeden Fall irgendeine Kampfsportausbildung absolviert. Wir hätten ihn gründlicher durchleuchten sollen.«
    Tina lächelte. Manchmal gebärdete Grier sich wie ein aufgeblasener Wichser. Sie waren nie wirklich gut miteinander ausgekommen. Sie hielt ihn für einen überkandidelten Korinthenkacker, und er fand es offenkundig unangemessen, dass sie sein Boss war. Nach der Vernehmung von Adrienne Menzies’ Freund hatte sich ihr Verhältnis noch mehr eingetrübt. Tina glaubte, Grier werfe ihr vor, sie habe ihre Spur auf eigene Faust verfolgt, um ihn dumm dastehen zu lassen, was aber nicht der Fall war. Sie arbeitete einfach lieber allein und folgte ihren eigenen Instinkten. »Tja, du weißt doch, wie es ist, Dan«, sagte sie zu ihm. »Man lernt nie aus. Und immerhin haben wir ihn jetzt am Wickel.« Sie streckte ihre Hand vor. »Nach dir.«
    Grier erwiderte nichts, sondern betrat schweigend das Haus.
    Als Tina ihm folgen wollte, hörte sie jemanden nach ihr rufen. Sie wandte sich um und erkannte DCI MacLeod, der, sein Handy in der einen und den Overall in der anderen Hand, auf sie zusteuerte. Auf seiner Stirn standen noch immer die Schweißtropfen,
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