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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus
Autoren: Martha Grimes
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kann diese zu Protokoll genommen und gegen Sie verwandt werden, kapiert?»
    Er drehte sich um, ging auf den Altar zu und stieg noch einmal die Kanzel hoch. Oben angelangt, knipste er die kleine Lampe an, hob die Bibel hoch und zog Rubys Tagebuch darunter hervor. Die Arme auf dem Pult ausgebreitet – einem Geistlichen zum Verwechseln ähnlich –, blickte er auf das Buch, das Simon Matchetts Ende bedeutete.
    Und wieder hörte er hinter sich die schwere Tür aufgehen und gleich darauf wieder zuschnappen. Aus der dunklen Eingangshalle tönte ihm die angriffslustige Stimme von keinem Geringeren als Kriminaldirektor Racer entgegen.
    «Haben Sie endlich Ihre Berufung entdeckt, Jury?»

    Matchett wurde auf das Polizeirevier in Weatherington gebracht. Er war «offiziell» von Racer und seiner rechten Hand, Inspektor Briscowe, verhaftet worden. Wie Briscowe es später an diesem Abend den Reportern gegenüber formulierte, war er seinem Chef nach Long Piddleton gefolgt, um der Sache «etwas Dampf» zu machen. Und tatsächlich hatte sich der Fall auch von dem Augenblick an, als der Kriminaldirektor auf der Bildfläche erschien, wie von selbst aufgelöst. Racer drückte das natürlich etwas anders aus, aber die Reporter aus London begriffen sofort.

    «Dieser fiese Kerl», sagte Sheila Hogg, die um Mitternacht noch so freizügig Scotch ausschenkte, als käme er aus dem Wasserhahn. «Sie haben die ganze Dreckarbeit geleistet, und er heimst die Lorbeeren ein. Und dabei wäre es Ihnen beinahe an den Kragen gegangen. Hier!» Sie drückte ein Halbliterglas in Jurys freie Hand; der andere Arm war ihm von einem ziemlich kleinlauten Dr. Appleby verbunden worden.
    Eine Stunde nach Matchetts Verhaftung wußte ganz Long Piddleton Bescheid – ohne Zweifel Plucks Verdienst. (Jury hatte amüsiert beobachtet, wie Pluck Briscowe aus dem Bild zu drängen versuchte.) Sheila hatte Jury förmlich zu sich nach Hause geschleppt, um ihm einen Drink aufzunötigen. In ihren Augen war er der Held des Tages.
    Auf diese anklagende Feststellung antwortete ihr Jury: «Was soll’s. Ende gut, alles gut, finden Sie nicht?»
    «War auch an der Zeit», sagte Darrington, dessen alte Feindseligkeit inzwischen noch von Eifersucht verstärkt wurde. «Sie wollten ja schon mich zur Strecke bringen.» Darrington grinste hämisch.
    In gespielter Verwunderung zog Jury die Augenbrauen hoch. «Sie? Oh, das ist doch wohl nicht Ihr Ernst? Sie standen noch nie auf meiner Liste. Das war doch wohl klar. Sie haben gar nicht so viel Phantasie. Schauen Sie sich doch Matchett an – er hätte Schriftsteller werden können, wenn er nicht so abnorm veranlagt wäre.»
    Sheila kicherte amüsiert und angeheitert. Darrington wurde rot und stand auf. «Warum, zum Teufel, hauen Sie nicht endlich ab? Seit Sie hier sind, hab ich nur Scherereien. Sie haben hier nichts mehr zu suchen!»
    Sheila knallte ihr Glas auf den Tisch. «Dasselbe gilt für mich!» Obwohl sie ziemlich wacklig auf den Beinen stand, versuchte sie eine würdevolle Haltung einzunehmen. «Oliver, du bist ein Mistkerl. Meine Sachen lasse ich später abholen.»
    Darrington hatte sich wieder gesetzt und beachtete sie kaum. «Du bist betrunken», sagte er und starrte in sein Glas.
    Jury stützte sie mit seinem Arm ab, während sie sich nach Darrington umdrehte und ihm entgegenschleuderte: «Besser betrunken, du Narr, du verdammter, als … als phantasielos ! Hab ich nicht recht, Inspektor?»
    Obwohl ihre Aussprache nicht mehr ganz klar war und sie sich an ihn klammerte, als befände sie sich auf einem schlingernden Schiff, pflichtete ihr Jury voll und ganz bei. Er bot ihr sogar seinen Arm an, als sie zusammen aus dem Zimmer gingen.
    «Er denkt, ich mache Witze. Es ist aber mein Ernst. Ich werde mir bei Scroggs ein Zimmer nehmen. Es sei denn …» und sie blickte ihn unter ihren dichten Wimpern hervor hoffnungsvoll an.
    Er lächelte. «Tut mir leid, Süße. Die Pandorabüchse ist besetzt. Keine weiteren Gäste.» Als er ihr in den Mantel half, bemerkte er, daß sie vor Enttäuschung ganz zerknittert aussah. Er blinzelte ihr zu: «Aber London ist ja auch noch da. Sie kommen doch bestimmt ab und zu mal in die Stadt, oder nicht?»
    Aufgemuntert antwortete sie: «Verlaß dich drauf, Süßer!»
    Als sie zum Wagen gingen, sah Jury Darringtons Silhouette, die sich gegen das Licht der Eingangshalle abzeichnete. «Sheila? Was zum Teufel …!»

    Nachdem er Sheila Mrs. Scroggs mütterlicher Fürsorge anvertraut hatte, fuhr Jury
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