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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus
Autoren: Martha Grimes
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Glauben befindet, wir seien erbitterte Konkurrenten. Ich brauche ihr nur zu erzählen, daß ich wieder ein Kapitel fertig habe, und schon stürzt sie aus dem Haus.
    Was unsere Kollegen betrifft – Darrington hat sich nach Amerika abgesetzt, um den amerikanischen Roman um ein paar Jahrhunderte zurückzuwerfen. Die Sache mit dem Plagiat hat mich überhaupt nicht gewundert. – Sie glaubten doch auch nicht, daß Pluck in einem solchen Fall schweigen würde? Sheila war froh, ihn loszuhaben. Sie hat vor, den ganzen Schwindel aufzudecken, darüber zu schreiben, auch wenn sie selbst dafür ins Gefängnis wandert. Sie hat eben doch ein Gewissen.
    Lorraine kommt jeden Monat gealtert von ihren Stippvisiten in London zurück; sie erwähnte, sie wolle Ihnen auch mal einen Besuch abstatten.
    Also verrammeln Sie die Türen, alter Junge. Willie hat in dem neuen Pfarrer wieder einen Freund gefunden; er ist zwar sehr viel jünger, aber irgendwie sehen Pfarrer immer so aus, als müßten sie täglich abgestaubt werden.
    Isabel ist weggezogen, Vivian ebenfalls, aber jede für sich. Unter der Bedingung, daß sie nicht mehr von Isabel belästigt wird, hat Vivian ihr eine gewisse Summe überschrieben. Vivian selbst hat sich eine Villa in Neapel gekauft. Wann ist denn Ihr nächster Urlaub fällig?
    Ich bin Hundebesitzer. Ich hatte mich schon länger mit dem Gedanken getragen – ich dachte an diese schlanken, wie Rennhunde aussehenden Tiere, die auf den Salonbildern von englischen Landadligen erscheinen. Ich habe jedoch an einem verregneten Nachmittag einen Ausflug zu der Pandorabüchse gemacht (vielleicht, weil ich in Erinnerungen schwelgen wollte – oder klingt das zu makaber?) und wanderte auf dem Grundstück herum, inspizierte die Ställe, die Dachrinnen und das alte Schild, von dem der Regen heruntertroff. Dann ging ich hinter die Ställe und entdeckte – raten Sie mal? – Mindy, Matchetts Hund, um den er sich nicht mehr gekümmert hat. Schlimm genug, fünf Leute auf dem Gewissen zu haben, aber dann auch noch einen Hund seinem Schicksal zu überlassen – das schlägt dem Faß den Boden aus. Ich ließ es jedenfalls zu, daß Mindy mich nach Hause begleitete, ein ziemlich langwieriges Unternehmen, da sie nicht gerade die Schnellste ist, wie Sie sich vielleicht erinnern.
    Diese merkwürdigen Geschwister – die Doubles? – besuchen mich ab und zu. Ihre Köpfe tauchen zu den unmöglichsten Zeiten aus den Büschen auf. An dem Mädchen bewundere ich vor allem, daß sie in ihrem zarten Alter schon gelernt hat, was einen guten Gesprächspartner ausmacht: Schweigen zu können. Sie verlangt nicht von einem, daß man vor Witz sprüht, etc., und wir hatten viele interessante, wenn auch etwas einseitige Gespräche.
    Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten? Wenn Sie wieder mal einen Fall haben – ich bin da überhaupt nicht anspruchsvoll – und mir erlauben würden, Ihnen dabei behilflich zu sein, würde mir das ein unendliches Vergnügen bereiten. Mein Leben hier ist nicht gerade eine Herausforderung an die Phantasie.
    Der Schnee ist inzwischen vollständig geschmolzen.

    Die Unterschrift auf dem gehämmerten Briefbogen bestand aus einem einzigen Wort, mit dicker, schwarzer Tinte geschrieben:

    Plant

    Jury steckte den Brief wieder in seinen Umschlag und legte ihn auf den Kaminsims wie eine Botschaft von einem, der gekommen und wieder gegangen war. Als er auf das kleine, weiße Rechteck mit den schwarzen Buchstaben blickte, dachte er an weiße, schneebedeckte Flächen, die von Spuren durchzogen waren. Aber Plant hatte ja geschrieben, daß es keinen Schnee mehr gab. Er schaute aus dem Fenster: Der Himmel war grau und trostlos.
    Er nahm seinen Regenmantel von dem Haken hinter der Tür und ging hinaus.
    Jury mochte nicht nur Schnee, sondern auch Regen.
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