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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus
Autoren: Martha Grimes
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der kleine braune Jack Russell Seite an Seite nach oben starrten.
    «Großer Gott», flüsterte Melrose Plant, als die Uhr zwölf schlug und ein weiterer Schneeklumpen von der Figur auf dem hervorspringenden Holzbalken fiel. Die Figur war nicht der mechanische Schmied, der gewöhnlich dort stand und dessen Hammer auf eine Esse herunterzusausen schien.
    «Mein Gott, ist das nicht dieser Mr. Ainsley, der gestern abend angekommen ist und ein Zimmer genommen hat?» Scroggs Stimme klang heiser und brüchig. «Wie lange der wohl schon da oben ist?»
    Melrose Plant, der gewöhnlich alle seine Regungen unter Kontrolle hatte, war sich nicht sicher, wie seine Stimme klingen würde. Er räusperte sich. «Schwer zu sagen, ein paar Stunden vielleicht, oder auch schon die ganze Nacht.»
    «Und niemand hat ihn gesehen?»
    «In sechs Meter Höhe und unter einer dicken Schneedecke, Dick!» Während er sprach, fiel wieder ein Klumpen herunter, der in der Sonne geschmolzen war; plopp, lag er vor ihren Füßen. «Ich schlage vor, einer von uns geht zur Polizei und holt Wachtmeister Pluck.»
    Aber das war nicht nötig. Das Hundegebell und das Auftreten von Plant und Scroggs in dieser makabren Geschichte schien die Hauptstraße aus ihrem Tiefschlaf unter dem Schnee geweckt zu haben, und die Leute kamen plötzlich aus den Geschäften, steckten die Köpfe aus den Fenstern, versammelten sich in den Gassen und auf den Bürgersteigen. Melrose sah, wie ein paar Straßen weiter Wachtmeister Pluck aus der Polizeiwache kam und sich seinen blauen Mantel überzog.
    «Und meine Frau hat sich noch gefragt, ob er wohl was zum Frühstück haben möchte», sagte Dick mit heiserer, tonloser Stimme.
    Melrose polierte die Gläser seiner Brille und meinte: «Ich glaube, Mr. Ainsley legt keinen Wert mehr darauf.»

    Die Hammerschmiede war zwischen Truebloods Antiquitätenladen und einem Textilgeschäft eingezwängt, das schlicht und einfach «Der Laden» hieß und dessen Schaufenster, in dem Fadenrollen, Teewärmer, Fausthandschuhe und alle möglichen Kurzwaren lagen, nur jeweils zu Weihnachten und Ostern neu dekoriert wurde. Auf der andern Straßenseite waren eine kleine Autoreparaturwerkstatt mit einem großen Fenster, Jurvis der Fleischer, ein kleines dunkles Fahrradgeschäft und Miss Crisps Trödelladen. Noch etwas weiter, kurz vor der Brücke über den Piddle, war die Polizeiwache.
    Der Gasthof war einmal in einem ziemlich auffälligen Ultramarinblau gestrichen worden. Noch auffälliger war jedoch die Konstruktion auf der Vorderseite, der er auch seinen Namen verdankte: Auf einem schweren Balken war die aus Holz geschnitzte Figur eines Schmieds angebracht, der die Nachahmung eines Eisenhammers aus dem siebzehnten Jahrhundert in der Hand hielt. Wenn die große Uhr unter dem Balken die volle Stunde anzeigte, hob «Jack» seinen Hammer und ließ ihn auf eine unsichtbare Esse heruntersausen.
    Der Balken befand sich sechs Meter über dem Boden, war ungefähr zweieinhalb Meter lang, einen halben Meter breit und ragte über den Bürgersteig darunter. Die geschnitzte Figur (inzwischen von dem Balken entfernt) war beinahe lebensgroß, Jacke und Hose der Figur waren ursprünglich einmal strahlend blau angemalt gewesen, doch mittlerweile war die Farbe stumpf und rissig geworden und blätterte ab. «Jack» war Zielscheibe für alle möglichen Späße, vor allem die Kinder hatten es auf ihn abgesehen; sie kostümierten ihn und holten ihn manchmal auch herunter. Die Holzfigur wurde wie eine Fußballtrophäe behandelt – die Bengel aus der nahe gelegenen Kreisstadt Sidbury entführten sie, und die Bengel von Long Piddleton holten sie wieder zurück. Irgendwie war sie das Dorf-Maskottchen.
    Erst vor kurzem, am Guy Fawkes Day, hatten sich ein paar Kinder in den Gasthof geschlichen, während Dick und seine Frau fest schliefen. Sie waren die hintere Treppe hochgestiegen und in die Abstellkammer, die über dem Balken lag, eingedrungen. Und sie hatten «Jack» von seinem Stützpfosten genommen (von dem er sich nach all dem Schabernack, der im Lauf der Jahre mit ihm getrieben worden war, sowieso schon halb gelöst hatte), auf den Friedhof der St.-Rules-Kirche geschleppt und dort begraben.
    «Der arme Jack», hatte Mrs. Withersby von ihrem Stammplatz am Kamin der Hammerschmiede aus lamentiert, «nicht einmal ein christliches Begräbnis – auf der Hundeseite haben sie ihn verscharrt, in ungeweihter Erde. Wenn das mal kein Unglück bringt! Der arme Jack.»
    Da der Gin Mrs.
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