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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
Autoren: Matha Grimes
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eine Wohnung bestimmt auf etwa eine halbe Million, mochte er wetten. Sie verfügte über zwei Schlafzimmer mit Bad, eins mit einer angrenzenden kleinen Kammer, das andere mit damit verbundenem Arbeitszimmer.
    »Ich nehme diese Seite«, sagte Ron. »Und Sie nehmen sich die da drüben vor.«
    Jury lächelte. Unter DI Aguilars Ägide hatte Ron hier das Sagen.
    Das Arbeitszimmer war schön geräumig. Bücherregale nahmen eine ganze Wand ein, und die überzähligen Bücher lagerten säuberlich gestapelt auf dem Fußboden vor einem niedrigeren Regal.
    Die Bücher dienten auch nicht etwa nur zur Vervollständigung des Dekors. Jury zog einige hervor, um sie kurz durchzusehen. Sie waren reichlich abgegriffen und mit Anmerkungen versehen. Billy Maples war ein eifriger Leser. Es war die Art von Raum, die sich jeder Vielleser ersehnte: weiche, mit Kissen bestückte Sessel, ein Fußhocker. Dazu eine Stehlampe und ein Beistelltischchen mit Glasplatte.
    Soweit Jury erkennen konnte, hatte Billy eine Vorliebe für das neunzehnte Jahrhundert, darunter zahlreiche amerikanische Autoren wie Melville und Hawthorne, sowie überraschend viele Romane von Henry James.
    In einem Regal standen lauter Bücher über den Zweiten Weltkrieg, offenkundig reflektierte dies sein Interesse an Sir Oswalds Leben. Vorausgesetzt, es handelte sich bei Oswald Maples um seinen Großvater.
    Zwei Gemälde, inspiriert vom gequälten Einfluss eines Künstlers vom Schlag Francis Bacons, zeigten jeweils die düstere, eingekeilte Gestalt eines Mannes, der in dem dichten Wald um ihn herum kaum auszumachen war. In puncto Quälerei gab Jury allerdings Munch den Vorzug.
    Es gab einen nicht besonders großen Schreibtisch samt ledernem Drehstuhl. Er trat davor und begann Schubladen herauszuziehen. Dann setzte er sich, um ein kleines Foto in silbernem Rahmen zu betrachten, auf dem Billy mit einem anderen Mann zu sehen war. Sie sahen aus, als wären sie beim Skifahren oder einem anderen Wintersport. Viel Schnee, ein Berg.
    Ron kam mit ein paar Briefen in der Hand herein. »Der Bursche, mit dem Maples zusammenlebte.« Er schwenkte die Umschläge und setzte sich.
    Jury wartete ab. Als Ron seine Informationen nicht weiter ausführte, sagte Jury: »Bis hier kann ich Ihnen folgen. Was ist mit ihm?«
    »Nun« – Ron sah auf die Briefe hinunter – »ich würde sagen, der ist Deutscher.«
    »Und hat er auch einen Namen? Einen deutschen oder sonst einen?« Man musste Ron wirklich alles aus der Nase ziehen.
    »Kurt Brunner. Steht jedenfalls hier drauf.« Er sah auf die Umschläge hinunter. »Berlin. Kurt Brunner. Maples’ ›Lebenspartner‹, wie man so schön sagt!«
    Jury drehte das Foto um, damit Ron es sehen konnte. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Dieser Kerl ist viel älter als Billy Maples.«
    Ron zuckte die Schultern. »Seit wann kommt es darauf an? Vielleicht eine Vaterfigur? Das kann aufs Gleiche rauslaufen.«
    »Manchmal ist eine Vaterfigur schlicht und einfach eine Vaterfigur.« Kurt Brunner sah allerdings nicht danach aus. Er war zwar älter, jedoch gut in Form und mit attraktiven Zügen.
    »Kann sein.«
    »Was ist mit der Waffe, der Pistole?«
    »Haben wir nicht gefunden. Vermutlich war’s eine 38er, möglicherweise eine Luger. Deutsches Fabrikat?« Ron ließ die Augenbrauen auf und ab tanzen.
    Jury lehnte sich im Drehstuhl zurück, schwang ihn nach rechts und nach links, links und rechts, immer wieder, während er nachdachte. »Wieso hat Billy Maples sich im Zetter eingemietet, das – wie weit liegt das von hier?«
    Ron kratzte sich am Nacken, der entzündet aussah. »Zur Hauptverkehrszeit kann das schon über eine halbe Stunde dauern. Die besagte Galerie liegt in der Nähe von Smithfield Market, also nicht weit vom Zetter. Halbe Stunde vielleicht, mehr nicht.«
    »Wieso hat er also im Zetter gewohnt?«
    »Weil er die dreihundert Mäuse dafür locker hatte. Er hatte einen Haufen Geld, ein Treuhandvermögen. Vielleicht wohnte er im Zetter, weil er es von da aus nicht weit zu dem Klub hatte, diesem Dust?«
    »Aber wieso sollte er unbedingt in der Nähe wohnen wollen? Er war mit jemandem verabredet, und wenn das stimmt, könnten wir doch daraus folgern, dass es sich um jemanden handelte, den er nicht in seiner eigenen Wohnung treffen wollte.«
    Ron schüttelte den Kopf. »Die Schlussfolgerung würde ich nicht ziehen. Er hatte so einiges vor: die Galerie besuchen, ins Dust gehen, sich mit jemandem im Hotel treffen – also sucht er sich einen zentralen Ort aus: das
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