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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
Autoren: Matha Grimes
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seines Vaters verwahrt worden. Er war mit dieser Familie in Kontakt geblieben. Der Sohn, der damals in Rodericks Alter gewesen war, hatte sie, nachdem er erfahren hatte, wem sie jetzt wirklich gehörten, in Kisten verpackt und nach Sussex geschickt.
    »Und wussten Sie, wie Ihr Vater zu ihnen gekommen war?«
    Auf diese Frage blieb Roderick die Antwort schuldig und fragte stattdessen: »Woher haben Sie das alles erfahren?«
    »Billy wusste Bescheid.« Vielleicht hätte er das nicht sagen sollen. Es brachte nichts weiter, außer den Anblick von Rodericks gramvollem Gesicht.
    »Verzeihung, Mr. Maples. Wir werden dann gehen. Malcolm hat uns wirklich geholfen.«
    »Das freut mich.« Roderick stand auf, um ihn zu verabschieden. »Wir sollten dem Jungen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.«
    »Ja, das sollten Sie.«
    Jury streckte Malcolm die Hand hin. »Danke, Malcolm. Du warst großartig.«
    Malcolm ergriff Jurys Hand. Er sah aus, als wäre er soeben aus einem schwarzen Loch oder einem Bergwerksschacht ins helle Licht entlassen worden, dabei war es dunkle Nacht.
    »Sie auch, danke«, sagte er. Dann nahm er Waldo hoch und ging hinein.

    Währenddessen klopfte DI Aguilar in London an eine Haustür. Drinnen im Flur ging Licht an, und die Tür öffnete sich.
    »Mrs. Ames? Rose Ames? Sie erinnern sich vielleicht noch an mich …«

53
    Der Anruf kam, als sie gerade die Deckenbeleuchtung ausschaltete. Das fluoreszierende Summen hörte auf, und die Lichter erloschen mit einem Flackern, manchmal alle zusammen, manchmal einzeln. Dieses Schauspiel gefiel ihr, als ob die Beleuchtung in der Gerichtsmedizin sich behaupten wollte, irgendwie ihre regenerativen Kräfte zeigen wollte, zeigen, dass sie noch nicht tot war.
    Sie ging immer als Letzte. Sie war die Letzte, die einen der Edelstahltische abwischte, sie wollte den Raum blitzsauber hinterlassen, irgendwie hatte sie das Gefühl, es war das Mindeste, was man für die Toten tun konnte.
    Für sie waren die Toten erst richtig tot, wenn sie vergessen waren. Nachdem sie Mantel, Handtasche, Schal und Straßenschuhe zusammengesucht hatte, wünschte sie der Reihe von Edelstahlschubfächern eine Gute Nacht. Das tat sie immer, Gute Nacht sagen: rezitierte manchmal ein kleines Gedicht von Dylan Thomas oder ein bisschen Shakespeare, bloß ein oder zwei Zeilen, sang manchmal ein paar Takte aus einem Lied. Und immer kam in den paar Wortfetzen oder dem Lied der Ausdruck »Gute Nacht« vor.
    Der Anruf kam, als sie zur Tür hinausging, kurz nach Mitternacht. Sie seufzte. Immer passierte etwas, etwas Schreckliches. Sie wunderte sich, dass überhaupt jemand älter als zehn Jahre wurde. Sie fischte ihr Handy aus der Handtasche, ging auf den Wagen zu, ganz allein auf dem Parkplatz.
    »Dr. Nancy«, meldete sie sich, lauschte dann und blieb abrupt stehen. »Ach Gott, nein. Ich bin in fünf Minuten da.« Fünf Minuten waren nicht viel Zeit, um von St. James’s nach Islington zu kommen.
    Sie rannte zu ihrem Wagen und fuhr rasant aus der Parklücke. Sie überfuhr drei rote Ampeln, ließ im Kreisverkehr keinem Vorfahrt, flog an anderen Autos vorbei, drückte auf die Hupe.
    Als sie zur Upper Street kam, war die Unfallstelle nicht schwer zu finden. Unter Lichtgewitter – rot, blau und weiß – hielt sie an, ließ den Motor laufen, fiel fast aus dem Wagen und bahnte sich einen Weg durch die dicht gedrängten Schaulustigen, die neugierig das Wrack beglotzten. Sie trat zu den Sanitätern und dem Krankenwagen.
    »Seitlich reingefahren«, informierte sie einer der Beamten. »Er ist tot.« Er deutete auf einen Oldtimer der Marke Hillman. »Sie nicht. Noch nicht. Da drüben.«
    Es war, dachte Phyllis, ein Wunder, dass Lu Aguilar noch atmete, in Anbetracht der massiven Erschütterung beim Aufprall. Komplizierte Knochenbrüche in beiden Beinen, durch die Schnittwunden waren Stückchen von Knochen zu sehen. Ihr Brustkorb? Lungenkollaps? Sonst noch – schwer zu sagen. Die Sanitäter hatten alles Notwendige bereits unternommen, was sie eben machen konnten.
    Lus Atem kam abgehackt, aber wenigstens atmete sie noch.
    Sie war bei Bewusstsein und orientierungslos und hatte furchtbare Angst. Das konnte Phyllis an ihren Augen erkennen. Sie kniete sich hin.
    Vorsichtig schob sie einen Arm unter Lus Nacken, beugte sich hinunter und sagte mit leiser Stimme: »Ist schon gut, Liebes. Alles wird gut, Sie werden es schaffen. Hören Sie: Ich bin die beste Ärztin in ganz London.«
    Zu ihrem Erstaunen brachte Lu ein kleines Lächeln
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