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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Autoren: Caroline Graham
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hatten, hinterher in einem völlig anderen Licht.
      Am heutigen Tag redeten die Besucher natürlich über nichts anderes als über das, was angeblich am Fluss passiert war. Der Mangel an handfesten Informationen hielt sie nicht davon ab, sich in schauerlichen Szenarien zu ergehen. Selbstverständlich gäbe es dafür keinerlei Beweise. Eine ganz vage Geschichte, meine Liebe. Offenbar hatte kein einziger auch nur irgendwas gehört. Trotzdem - wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Als Evadnes Mittagspause näher rückte, bedauerte sie, dass sie kein Talent zum Schreiben hatte, denn sie hatte bereits genügend Stoff, um eine Soap Opera für die nächsten zehn Jahre am Laufen zu halten.
      Am Mittag stellte sie ihre Geranie weg und rief Piers, den ältesten und verständigsten der Pekinesen, zu sich. Sie gab ihm einen Korb mit einem Zettel drin und etwas Geld in einem Umschlag und schickte ihn zu Brian's Emporium, um die Times, Hundefutter und ein paar glasierte Köstlichkeiten zu holen. Zwar hatte sie auch kein Tonicwater mehr, doch sie hielt es nicht für richtig, von einem Hund zu erwarten, dass er sich mit schweren Flaschen abschleppte.
      Als Piers mit dem falschen Wechselgeld zurückkam (und das nicht zum ersten Mal), verriegelte Evadne das Yale-Schloss und begann, ihr Mittagessen zu kochen. Sie dünstete zwei Schalotten und etwas klein geschnittenen Sellerie in ungesalzener Butter an, gab ein Lorbeerblatt hinzu, goss das Ganze mit frischer Hühnerbrühe auf und ließ es vor sich hin köcheln. Dann schenkte sie sich ein kleines Glas Holunderwein ein und deckte den Tisch. Ihr schönes Silberbesteck - ein Abschiedsgeschenk von den Kolleginnen aus der Bibliothek in Swiss Cottage -, ein Sträußchen Mimosen und warme Vollkornbrötchen.
      Während sie in ihrer Suppe rührte und an ihrem hausgemachten Elixier nippte, schweiften Evadnes Gedanken unwillkürlich zu der Angelegenheit, die ihre Morgenbesucher so sehr beschäftigt hatte. Sie fragte sich, ob tatsächlich jemand in den Fluss gefallen war. Und wenn ja, wo war derjenige jetzt? Konnte er bereits meilenweit abgetrieben worden sein? Oder irgendwo im Gestrüpp festhängen? Vielleicht war er in dem schlammigen Flussbett stecken geblieben.
      Evadnes Hand zitterte, als sie nach einem Tütchen mit Kardamomkörnern griff und ihren Mörser mit dem Stößel herunternahm. Ihr ging das Herz über vor Mitleid mit dieser möglicherweise gar nicht existierenden Person. Ertrinken war das Einzige, wovor Evadne Angst hatte. In der Schule hatte sie mal aus Richard III vorlesen müssen, und zwar die Szene, in der der Tod von Clarence beschrieben wird, und sie war vor Entsetzen fast erstickt. Plötzlich war ihr nicht mehr nach exotischen Gewürzen zumute, deshalb stellte sie das Kardamom zurück ins Regal und füllte die Suppe, so wie sie war, in einen Teller. Sie wollte gerade essen, hatte sogar den Löffel schon fast bis an den Mund geführt, da erinnerte sie sich plötzlich an etwas, das letzte Nacht passiert war. Sie war in ihrem Schlafzimmer unter dem Dachvorsprung gewesen und hatte sich für die Nacht zurechtgemacht. Nachdem sie ein langes Flanellnachthemd angezogen und sich das Gesicht mit Regenwasser und Pears-Seife gewaschen hatte, so wie sie es von Kindesbeinen an gewohnt war, sprach Evadne ihre Gebete. Wie immer legte sie Gott diverse Personen ans Herz, schlug sogar vor, was in dem einen oder anderen Fall getan werden könnte, während sie gleichzeitig einräumte, dass letztlich natürlich Er zu entscheiden habe. Dann legte sie sich ins Bett.
      Evadne schlief immer auf dem Rücken, die Hände über der Brust gefaltet, wie eine Grabplastik in einer alten Dorfkirche. Ihr gefiel die Vorstellung, in dieser ehrfürchtigen Haltung gefunden zu werden, sollte ihre Seele sich entschließen, sie im Schlaf zu verlassen. Normalerweise fiel sie, nachdem sie sich so hingelegt hatte, sofort in einen ruhigen, traumlosen Schlaf.
      Doch letzte Nacht, als sie kurz vor dem Einschlummern war, war sie von einem merkwürdigen Schrei aufgeschreckt worden, laut und angsterfüllt, fast schon ein Kreischen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie angenommen, dass es eine Füchsin war oder ein kleines Tier, das von irgendeinem Räuber erwischt worden war. Doch nun, als sie in ihrer gemütlichen, sonnendurchfluteten Küche saß und in ihre rasch abkühlende Suppe starrte, war Evadne sich nicht mehr so sicher.
      Sie schüttelte den Kopf und redete sich energisch ein, dass da keinerlei Zusammenhang
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