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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Autoren: Peter Robinson
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konnte mich kaum auf die Idee bringen, daß er Steadman getötet hatte. Ich war ohnehin noch völlig darauf fixiert, die einmal eingeschlagenen Wege zu verfolgen, statt den richtigen zu gehen. Hinzu kam Emmas Alibi, das mich offenbar geblendet hatte.
      Schließlich hat mir Sandra auf die Sprünge geholfen. Sie hatte Emma in der Praxis gesehen und bemerkt, daß sie sich phantastisch gehalten hatte und unter ihrer Hausfrauen-Maskerade eine sehr gutaussehende Frau war. Und mit einem Mal paßten alle Einzelteile zusammen : das hübsche junge Ding, Sallys Schminkkünste - die letzten Endes darauf hinausliefen, die äußere Erscheinung zu korrigieren - und Emma Steadman, die gewissermaßen eine Rohfassung von Schönheit darstellte und nach eigener Aussage früher selbst bei einer Theatergruppe gearbeitet hatte. Als ich darüber nachdachte, was mir die anderen von Emma erzählt hatten, fiel mir auf, daß niemand auf die Idee gekommen war, sie als attraktiv zu bezeichnen. Penny sowieso nicht - ich nehme an, Sie haben Emma, ähnlich wie deren Mann, nie so richtig wahrgenommen, nicht wahr? -, und was Jack betrifft, so hatte er sie damals noch gar nicht gekannt. Ramsden hingegen wohl, allerdings hatte er mit keinem Wort ihr Aussehen erwähnt, was mir schließlich zu denken gab und mich auf die Idee brachte, mir ihn und Emma allein zu zweit in diesem Haus vorzustellen, in diesem langen, heißen Sommer, und dann dieser plötzliche Rückzug von Penny... Es fiel mir nie besonders schwer, mir Ramsden als schüchternen, versponnenen Träumer vorzustellen, aber Emma in der Rolle der belle dame, der großen Verführerin - das brauchte seine Zeit. Meine Sicht von diesem Sommer, von der Vergangenheit war offenkundig falsch, ich hatte sie, wie alle andern auch, durch eine rosarote Brille gesehen und verklärt - was Teddy Hackett übrigens auch Steadman vorgeworfen haben muß. Die Wirklichkeit sah anders aus. Es war eine Zeit der Begierden, der Habsucht, der Enttäuschungen und des Ehebruchs - und keineswegs eine friedliche Idylle. Selbst Sally hat das völlig falsch gesehen.
      Der Gedanke an Ramsden und Emma als Paar war mir bei all meinen Fragen, die ich rundum gestellt habe, nie in den Sinn gekommen, als er sich aber einmal festgesetzt hatte, war es nicht mehr besonders kompliziert, die gesammelten Informationen in einem neuen Licht zu sehen. Und nachdem ich diesen Punkt erreicht hatte, schien der Rest ziemlich klar auf der Hand zu liegen. Es konnten ohne weiteres zwei Personen gewesen sein, die den Mord an Steadman gemeinschaftlich verübt und sich solide Alibis verschafft hatten. Und Sally konnte eine Bedrohung dargestellt haben, weil sie Michael Ramsden mit Emma gesehen und die wundersame Verwandlung vom biederen Hausmütterchen in die betörende Sirene beobachtet hatte. Ich brauchte also nur noch loszugehen und ein bißchen kräftiger zu bohren, weil ich immerhin wußte, daß ich endlich auf der richtigen Spur war. Allerdings haben sich die Ereignisse dann doch etwas anders entwickelt.»
      «Sie waren wohl auch ziemlich lange fixiert auf Ihre Vorstellungen von Harry und mir», stellte Penny fest.
      «Das ist richtig», gab Banks zu, «wobei ich die mögliche Kombination zwischen Ramsden und Emma leider übersehen habe, was nicht hätte passieren dürfen, aber hinterher ist man immer klüger. Es war einfach so, daß mir immer irgend etwas fehlte, wenn ich über den bewußten Sommer nachdachte, deshalb bin ich davon ausgegangen, daß Sie mich belogen haben, daß Sie etwas zu verheimlichen hatten, was nicht der Fall war. Heute ist mir klar, daß es sich in Ihrer Vorstellung genauso abgespielt hat, wie Sie es erzählt haben. Zumindest fast so.»
      «Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen», meinte Sandra mit einem Augenzwinkern zu Penny. «Schließlich bist du nur ein Mann.»
      «Darauf sollten wir trinken», schlug Penny vor, erhob ihr Glas und rückte näher zu Barker.
      Während Banks mit den anderen anstieß und sich dem anschließenden Geplauder überließ, dachte er mit schlechtem Gewissen und tiefem Bedauern an Sally Lumb, die scheinbar hinter die Fassade gesehen und sich doch nur einer neuen, trügerisch-romantischen Illusion hingegeben hatte.
      Der letzte Widerschein der Sonne war verschwunden, und der Crow Star schimmerte wie ein blanker Knochen im fahlen Licht des aufgehenden Mondes.
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