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Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Titel: Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
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bereiteten wir eine bevorstehende Untersuchung gründlich vor. Wohnhaus und Betrieb wurden vorab gesichtet, um festzustellen, wie viele Eingänge vorhanden waren. Man versuchte zu überprüfen, ob man es mit Hunden zu tun bekommen könnte und mit wie vielen Mitarbeitern in dem Betrieb zu rechnen war. All dies waren Vorsichtsmaßnahmen, um böse Überraschungen so weit wie nur möglich zu vermeiden. In unserem Fall kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir zeitgleich mit drei Mitarbeitern in das Privathaus und mit fünf Leuten in den Betrieb gehen würden, und ein Kollege das uns bekannte Bankschließfach versiegeln sollte.
    Das war bestimmt meine Alte
    Etwa zwei Wochen nach dem Besuch der verlassenen Ehefrau in unserer Dienststelle war alles vorbereitet. Morgens um acht Uhr trafen wir uns zur Einsatzbesprechung, erledigten die Einteilung in Bezug auf Wohnhaus, Bank und Firma, und nur etwa eine Stunde später hörte der noch immer gänzlich ahnungslose Heizungsinstallateur meine übliche Begrüßungsformel: »Mein Name ist Frank Wehrheim, gegen Sie ist ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss und müssen nun Ihre Geschäftsräume und Ihre Wohnung durchsuchen. Es besteht der Verdacht der Steuerhinterziehung.«
    Noch während ich dem erschrockenen Mann meinen Dienstausweis und die Dienstmarke zeigte, hörte ich ein leises »Das war bestimmt meine Alte« aus seinem Mund. Schon auf den ersten Blick konnte ich aus Erfahrung erkennen, ob wir es mit einem ruhigen, kooperativen Gegenüber zu tun hatten, oder ob uns bei der Aktion Konflikte bevorstehen würden. Hier war die Sache eindeutig: Der Mann war nicht mehr Herr der Lage. Innerlich war er in einem Bruchteil einer Sekunde zusammengebrochen und wusste offenbar sofort, dass er überhaupt keine Chance hatte.
    Nun könnte man vielleicht erwarten, dass ein Beschuldigter in diesem Augenblick spontan zum Mittel der Selbstanzeige greifen würde, um gleichsam in letzter Sekunde Straffreiheit zu erlangen, doch das ist juristisch nicht mehr möglich. Sobald ein Steuerfahnder mit einem richterlichen Beschluss vor der Tür steht und sich vorgestellt hat, ist das Verfahren eröffnet. Es gab in der Tat schon Fälle, in denen es im allerletzten Moment auf wundersame Weise zu Selbstanzeigen kam – was fast immer auf Indiskretionen zurückzuführen war. Bei Ermittlungen gegen einen großen Sportverband etwa musste eine Stunde vor Beginn des bundesweiten Einsatzes die Aktion abgeblasen werden. Hier waren buchstäblich in letzter Minute die Selbstanzeigen der beteiligten Beschuldigten eingegangen. Doch es waren nicht nur prominente Fälle, bei denen sich Mitarbeiter einer Finanzbehörde oder des beteiligten Gerichts aus welchen Gründen auch immer berufen fühlten, eine bevorstehende Durchsuchung auszuplaudern und die bis dahin ahnungslosen Steuersünder zu warnen. Solche Pannen kamen häufig auch im ländlichen Raum vor, wenn die beteiligten Steuerfahnder nicht vorsichtig genug waren.
    Die undichte Stelle war nicht selten im Umfeld des sogenannten Durchsuchungszeugen zu finden. Zur Erklärung: Die Strafprozessordnung sieht vor, dass der Beschuldigte bei Durchsuchungen nach einem Zeugen verlangen darf, der die ganze Maßnahme unabhängig und neutral beobachten soll. Das war auch für uns immer wieder wichtig, wenn besonders aufgebrachte Beschuldigte hinterher behaupteten, wir hätten uns unflätig benommen oder bei der Hausdurchsuchung Wertgegenstände beschädigt. Dieser Zeuge darf jedoch nicht der Staatsanwaltschaft unterstellt sein, also nicht aus dem Bereich der Polizei kommen, und so kam man im Laufe der Jahre überein, dass man sich bei den betreffenden Gemeindeverwaltungen Beamte – also Ratschreiber oder Standesbeamte – als Durchsuchungszeugen gewissermaßen auslieh.
    Kündigte man eine Durchsuchung an und fragte nach einem Gemeindemitarbeiter, kam natürlich immer sofort die Frage: »Wo geht’s denn hin?« Und genau hier lag die größte Gefahr. Keiner von uns konnte wissen, ob der Durchsuchungszeuge möglicherweise mit dem Beschuldigten verwandt, befreundet oder gar kommunalpolitisch verbrüdert war. Um etwaige Loyalitätskonflikte auszuschließen, haben wir die Gemeindebeamten in der Regel erst auf der Fahrt zum Durchsuchungsobjekt vollständig über unser Ziel aufgeklärt. Natürlich auch deswegen, um ärgerlichen Last-Minute-Selbstanzeigen vorzubeugen.
    Es soll an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden,
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