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Inside Polizei

Inside Polizei

Titel: Inside Polizei
Autoren: Schubert Stefan
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Ausrüstungsgegenstände ein und verstauten sie im Auto. Die Blicke der Schaulustigen und der Kollegen vom Streifendienst waren jetzt nicht mehr bewundernd und anerkennend, sondern ärgerlich, vorwurfsvoll und wütend.
    Das Kommando war nicht viel länger als eine Stunde vor Ort. Eine Stunde, um anzukommen, die Lage zu sondieren, den Zugriff zu beschließen und durchzuführen, Sascha zu erschießen, Toni schwer zu verletzen, die Ausrüstung einzupacken und wieder zu verschwinden. Eine Stunde!
    Wer geglaubt hatte, dass in der nun folgenden juristischen Aufarbeitung die Fehler des Spezialeinsatzkommandos der Öffentlichkeit mitgeteilt würden und Rechenschaft abgelegt würde, wurde eines Besseren belehrt. Die Staatsanwaltschaft der Stadt übernahm die Ermittlungen, obwohl ein Beamter des dortigen Polizeipräsidiums als Todesschütze beteiligt gewesen war und weitere sieben Beamte des Präsidiums in diesen tödlichen Vorfall verwickelt waren. Um eine Interessenkollision auszuschließen – denn Polizeibeamte sind gleichzeitig Hilfsbeamte der entsprechenden Staatsanwaltschaft, die diese nach eigenem Ermessen einsetzen kann – , existieren hierfür ganz klare Richtlinien. Es ist vorgeschrieben, dass so ein problematisches Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben werden muss, damit die Objektivität gewahrt bleibt und kein Verdacht von Behördenmauschelei aufkommt. Doch trotz dieser eindeutigen Vorschriften blieb das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft der Stadt, die eine Mordkommission einsetzte. Pro forma leitete diese ein Ermittlungsverfahren gegen den Todesschützen wegen Totschlags ein, doch schon zwei Tage später diktierte der zuständige Staatsanwalt den Reportern in ihre Schreibblöcke, dass er davon ausgehe, dass das Verfahren bald eingestellt würde. Auch der Ablauf des Zugriffes wurde in mehreren Zeitungsartikeln anders dargestellt, als er auf den Fluren der Spezialeinheit erzählt wurde.
    Der Korpsgeist des Spezialeinsatzkommandos schien die Männer weiterhin zu schützen, und trotz einer eindeutigen Faktenlage erhob sich keine kritische Stimme innerhalb der Staatsanwaltschaft. Oder wurden der Behörde womöglich vorsätzlich Fakten verschwiegen? Angefangen bei der kurzen Verweildauer am Einsatzort, dem überhasteten, leichtsinnigen Zugriff bis zum Sturz über das Fahrrad, der die folgende tödliche Kettenreaktion auslöste. Wurde das Versagen des Tasers thematisiert und warum keine Zeit blieb, den Taser neu zu laden und einen weiteren Zugriff zu starten? Dazu der Schusswechsel, vier Treffer bei Sascha und nicht fünf, in unbestritten höchster Lebensgefahr und dem Unglück, dass ein Polizist durch den Schuss eines Kollegen schwer verletzt wurde, schwerer als durch Sascha K. selbst? Tonis schwere Achillesfersenverletzung wurden via Pressemitteilung kurzerhand mit Saschas Messerattacke begründet.
    Dass Angehörige von Spezialeinsatzkommandos aus Korpsgeist Abläufe falsch wiedergeben oder negative Ereignisse verschweigen, ist zwar für die Öffentlichkeit und die Presse nicht zu akzeptieren, aber doch für viele Fachleute nachvollziehbar. Denn solch geschlossene Einheiten sind dringend auf Korpsgeist angewiesen, er ist geradezu lebensnotwendig für ein reibungsloses Funktionieren dieser Elitekämpfer. In einem Beruf, in dem es nie sicher ist, ob man abends wieder nach Hause zurückkehrt oder schwer verletzt auf einer Intensivstation liegt, ist es beruhigend zu wissen, dass alle Vorkommnisse erst einmal in der eigenen Einheit, bei den Kameraden verbleiben. Ganz besonders gilt dies für schiefgelaufene Einsätze und persönliche Fehler.
    Es reicht ja schon die moralische Last, die jemand im Einsatz vielleicht aufgeladen bekommt, wenn er eine Person schwer verwundet oder sogar tötet. Wie hilfreich ist es da, wenn jeder weiß, dass ihn der Korpsgeist schützt, so weit es eben geht und manchmal auch darüber hinaus.
    Dieses beruhigende Gefühl und Wissen ist ein Garant dafür, die hohe Motivation, Einsatzbereitschaft und Rekrutierungsquote für diese Spezialeinheiten aufrechtzuhalten.
    Doch gelten solche Maßstäbe auch für Gerichtsmediziner, Mordermittler und Staatsanwälte? Trotz des staatlichen Legalitätsprinzips?
    Dass Pannen auch beim polizeilichen Arbeiten geschehen, ist bedauerlich, aber menschlich. Dass beim Sturm eines Hauses ein Fahrrad übersehen wurde und dies eine tödliche Kettenreaktion auslöste, ist ein schwerer Fehler, aber doch nachvollziehbar. Es hätte der gesamten Behörde
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