Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
schnellem Englisch und ließ ihre Faust auf die Handfläche klatschen.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Shiaraqa mochte mich nicht anschauen. Beim Sprechen sah er Captain Mindy an. »Der Mann deiner Schwester sagt, er könne es sich nicht leisten, während der Behandlung mit in Kandahar zu sein, und seine Frauen dürften nicht allein verreisen. Er verlangt, dass die Amerikaner deine Schwester hier in Farah behandeln.«
    Wie konnte Tahir so etwas sagen? Begriff er denn nicht, wie schlimm Zeynabs Verbrennungen waren? Er war reich. Er musste während des Aufenthalts in Kandahar nicht unbedingt arbeiten. Er musste doch wissen, dass dieses Krankenhaus viel schlechter als das der Amerikaner war. Es war dreckig. Die Leute hier hatten Zeynab nicht an den Tropf gehängt. Sie hatten sie nicht einmal verbunden. Sie lag einfach nur im Bett.Zum Glück war Zeynab wieder eingeschlafen. Während der nächsten paar Stunden gingen Captain Mindy und Shiaraqa immer wieder nach draußen. Ich wusste, dass sie sich mit Tahir stritten. Captain Mindy wurde nach jedem Gespräch zorniger. Ich betrachtete Zeynabs verkohlte, aufgeplatzte Haut. Meine süße Schwester, die mir immer eine Freundin gewesen war, mir immer Kraft und Hoffnung gegeben hatte, lag im Sterben.
    Sie starb, und Tahir, ihrem Mann, war es egal.
    Alles vor meinen Augen verschwamm. Ich stand da und erinnerte mich daran, wie hübsch Zeynab gewesen war. Ich stand da und musste mit ansehen, wie meine fünfzehnjährige Schwester litt, lauschte ihrem flachen, heiseren Atem.
    Ich harrte bis kurz vor der Morgendämmerung aus. Dann hörte sie auf zu atmen.
    Im Zwielicht zwischen Gestern und Heute, zwischen Licht und Dunkel drückte ich Zeynabs Hand zum letzten Mal. Ich hätte weinen müssen. Ich hätte schreien und meine Haare ausreißen müssen. Aber ich hatte keine Tränen mehr.
    Nach der endlos langen Nacht in diesem schrecklichen, heißen Zimmer war ich erschöpft und mir schwirrte der Kopf. Ich deckte meine Schwester mit dem weißen Tuch zu. Dann wandte ich mich ab.
    Hier war nichts mehr zu tun. Zeynabs Leichnam gehörte jetzt Tahir, das Gleiche galt für ihr Leben. Ich verließ das Zimmer. Das einzige Licht fiel durch eine offene Tür am Ende des Flurs.
    »Zulaikha?«, sagte Captain Mindy, als ich an ihr vorbeilief. Sie legte mir eine Hand auf den Arm, aber ich riss mich los und taumelte zur Tür.
    Erst, als mir draußen vor dem Gebäude kühle Luft in das Gesicht wehte, merkte ich, wie stickig es drinnen gewesen war.
    Najib sprang auf. »Zeynab?«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Ich brachte kein Wort heraus. Najib wandte sich ab und ich ergriff seine Hand.
    Wir kamen an Tahir vorbei, der gähnend aufstand und sich reckte. Er vergoss keine Träne. Meine Schwester war nicht seine einzige Frau. Er hatte noch zwei weitere. Er war reich und konnte eine andere heiraten.
    Shiaraqa rief mir etwas nach, aber ich überhörte ihn und folgte meinem Bruder zum Auto.
    Als Najib schon am Steuer saß, drehte ich mich noch einmal um. Erst da merkte ich, dass Shiaraqa nicht mich gemeint hatte. Stattdessen diskutierte er lautstark mit Captain Mindy. Sie schrie etwas, zeigte auf Shiaraqa, dann auf Tahir. Als Shiaraqa den Kopf schüttelte und wieder etwas auf Englisch erwiderte, packte sie ihn bei seinem Salwar Kamiz und schüttelte ihn. Schließlich nickte Shiaraqa und drehte sich zu Tahir um.
    »Was will das verrückte Weib?«, fragte Tahir.
    »Sie sagt, es ist falsch, dass ein so alter Mann wie Sie ein so junges Mädchen heiratet.«
    »Sie begreift nicht. Sie hat keine Ahnung. Das ist normal.« Tahir zuckte mit den Schultern. »Und warum sorgt sie sich so um dieses eine Mädchen? Die Amerikaner haben schließlich Tausende umgebracht. Sag dieser kleinen Schlampe, sie soll nach Hause zurückkehren.« Er tat einen Schritt auf Captain Mindy zu. Ich hörte ein metallisches Klacken und sah, wie Corporal Andrews mit der Waffe im Anschlag näher an die beiden herantrat.
    Tahir holte rasselnd Luft. Er sah erst Captain Mindy an, dann den Corporal. Dann wich er zurück, hob die Wurstfingerhände und sagte leise zu Shiaraqa: »Ja, so sind die Amerikaner. Sie kommandieren alle mit ihren großen Waffen herum und halten sich für Helden, weil sie sich um ein Mädchen kümmern, das bei einem Unfall verbrannt wurde.«
    Captain Mindy schrie ihn auf Englisch an. Sie war so wütend, dass sie ohne Punkt und Komma redete. Sie befahl Shiaraqa mit einem Wink zu übersetzen, ließ ihm aber keine Zeit dazu.
    »Sie sind ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher