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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber
Autoren: Gabriella Engelmann
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verschwinden, und in meinem Blickfeld tauchen die ersten typischen Friesenhäuser auf, für die ich diesen Ort so liebe.
    An dieser Stelle ist Sylt besonders lieblich, besonders hübsch und beinahe puppenhaft.
    »Timo, Lissy, raus mit euch!«, ruft Bea, scheucht ihren riesigen Hund von der Rückbank, reißt die Wagentür neben mir auf und lässt keinen Zweifel daran, dass die Zeit des Träumens und Betrachtens vorbei ist, denn jetzt sind wir da.
    Eine halbe Stunde später sitzen wir vor dampfendem Tee und Friesenwaffeln, bestäubt mit jeder Menge Puderzucker, der wie Schnee auf dem Gebäck liegt, heißen Kirschen und Vanilleeis.
    »Autsch«, entfährt es mir, während mich ein gemeiner Schmerz durchzuckt. Heiß und kalt ist eine Kombination, die ich überhaupt nicht vertrage.
    Bei diesem Vergleich fällt mir umgehend Stefan ein, der mich am Bahnhof Altona in Hamburg ziemlich unterkühlt verabschiedet hat. Genau wie ich ihn auch.
    Wie aufs Stichwort fragt Veronika, von der die leckeren Waffeln sind, im nächsten Moment: »Wie geht’s eigentlich Stefan? Wann heiratet ihr denn nun?«, und sieht mich erwartungsvoll an.
    Vermutlich bastelt sie im Geiste bereits an der Menüfolge und der Hochzeitstorte, schließlich ist es schon eine Weile her, dass sie dergleichen für ihre Kinder tun konnte, und nun fühlt sie sich wohl nicht ausgelastet. So gern, wie sie die Gastgeberin spielt.
    Vero ist nun mal ein echtes Familientier. Seit nunmehr fast vierzig Jahren ist sie mit ihrem Mann Hinrich verheiratet, einem eher wortkargen Bauern – und das allem Anschein nach glücklich, auch wenn ich nicht viel über diese Ehe weiß. Die beiden haben sich in der Schule kennen- und lieben gelernt. Mit zwanzig bekam Vero ihre Tochter Friederike, auf die später die Zwillinge Lars und Ole folgten.
    Offensichtlich hat Bea ihre Freundin noch nicht über den neuesten Stand der Dinge informiert, was meine Familienplanung betrifft.
    »Vero, lass mal«, bekomme ich Schützenhilfe von meiner Tante, die an ihrem Tee nippt und die Augen rollt. »Als ob es für Lissy nichts Wichtigeres gäbe, als
diesen
Stefan zu heiraten.«
    Veronika sieht mich kurz irritiert an, blickt dann unsicher zu Bea, und ich fühle mich bemüßigt, die Freundin meiner Tante selbst aufzuklären.
    »Ich werde
diesen
Stefan wohl nicht heiraten, denn er wird in vier Monaten Vater.«
    An dieser Stelle wird Vero noch unruhiger, und ich sehe kurz die Hoffnung in ihren Augen aufglimmen, ich sei schwanger und es gäbe bald wieder ein Baby im Haus.
    »Die glückliche Mutter bin allerdings nicht ich«, fahre ich fort, während sich Veros Gesichtszüge in Sekundenschnelle enttäuscht verfinstern, »sondern eine gewisse Melanie Immendorf. Melanie ist Sprechstundenhilfe in Stefans Praxis, zwanzig, blond, vollbusig und meines Wissens ein bisschen doof. Allerdings nicht zu doof, um sich auf diesem Wege einen gut situierten Kardiologen zu angeln, der die Praxis, in der sie arbeitet, unter anderem meiner finanziellen Unterstützung verdankt«, vervollständige ich den Bericht über meine private Situation. Dabei versuche ich zu ignorieren, wie sich mein Herz verkrampft.
    Das alles tut immer noch weh – viel zu weh!
    Ich fühle, wie mir Tränen in die Augen schießen, und bin dankbar, dass Timo mir in diesem Moment die Hand leckt, vermutlich als verspätetes Zeichen seines Dankes für die Leckerli, die ich ihm mitgebracht habe.
    »Oh, so ist das also«, murmelt Veronika bedrückt und schafft es kaum, mich anzusehen. »Das tut mir leid. Ihr wart so ein schönes Paar.« Damit ist dann auch alles gesagt.
    Wir waren ein schönes Paar, und nun sind wir es eben nicht mehr.
    »Ich gehe dann mal nach oben, um meine Sachen auszupacken«, sage ich und stelle mein Geschirr in die Spüle.
    Wie gemütlich diese alte Friesenküche ist. Alles ist wunderhübsch gekachelt, in traditionellem Blau-Weiß, mit Motiven der hiesigen Region. Wie sehr ich das alles genießen könnte, wenn ich mich nur besser fühlte.
    »Komm einfach runter, wenn dir nach Gesellschaft ist. Ansonsten gibt es um acht Uhr Abendessen«, ruft Bea mir nach, während ich die knarrende Treppe nach oben gehe und Timo mir hinterhertrottet.
    In meinem alten Zimmer angekommen, werfe ich mich überwältigt von Schmerz aufs Bett. Dabei versinke ich fast in den flauschigen Daunen und atme den Duft von Sandelholz ein, der sich im Stoff der Tagesdecke verfangen hat. Timo legt sich artig auf den Bettvorleger, nimmt den Kopf zwischen die Pfoten und sieht
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