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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
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arbeitete heftig mit seinen Kiefern. »Behindertengerechter Eingang, Behördenbau. Na also. Sag ich doch.« Er wendete sich seinem Jagdkollegen zu. »Da wird man doch ein wenig Luft reinblasen können, oder etwa nicht!? Was ist das für eine Behörde – Gemeinde, Stadt, Landkreis, Bund?«
    »Landesbehörde.«
    Die Zigarette flog in weitem Bogen hinunter auf den Weg. »Ja prima, Mensch. Landesbehörde! Die haben doch sicher keinen repräsentativen Eingang bis jetzt. Und wenn schon behindertengerecht, dann richtig. Von wegen billig rumtun mit popliger Rollstuhlrampe und so. Da kommt ein Lift hin, der Eingangsbereich wird auf moderne Weise, demokratisch transparent gestaltet … mit Glasbau … so wie man das heute eben macht. In ein paar Jahren läuft Wasser zur Wand durch und wir können wieder sanieren. Ist mir scheißegal, wie du das machst. Ich brauche jedenfalls so um die dreihunderttausend.«
    Der andere fuhr hoch. »Spinnst du! Dreihunderttausend für einen behindertengerechten Eingangsbereich?«
    »Das lass meine Sorge sein. Ich kümmere mich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das ziehen wir ganz groß auf, schon im Vorfeld. Berichterstattung über die üble derzeitige Situation. Foto: ein Rollstuhlfahrer vor der Behördenbarriere. Und du bist der mutige Held, der Abhilfe schafft: Endlich mal ein Beamter, der anpackt, der hinlangt, der Entscheidungen trifft, der was tut, der ein Herz hat für die Schwächsten unserer Gesellschaft. Wer das liest, kann rein emotional gar nicht dagegen sein. Ob das dann dreihunderttausend kostet oder eine Million, ist völlig egal, verstanden!? Ich kenne da zwei, drei Leute von der schreibenden Zunft – passt.«
    Brachmann knurrte. »Das mit den Liftanlagen für Rollstühle hat noch nie funktioniert. Die Dinger fallen ständig aus und dann haben wir eine richtige Barriere.«
    Sein Jagdfreund ging gar nicht darauf ein. »Also dann sind wir uns ja einig. Ich brauche die Adresse. Da fahre ich später gleich vorbei. Nächste Woche hast du die Pläne auf dem Tisch.« Er stand auf und reckte sich sichtlich zufrieden.

    Zu Hause führte ihn sein erster Weg unter die Dusche. Seine Frau war schon wach. Es roch nach Kaffee und frischen Brötchen. Er liebte diese Wochenenden.
    »Ich mag diesen Brachmann nicht«, sagte sie, als er sich an den Tisch setzte.
    »Ich mag ihn noch weniger«, lautete seine Antwort, »ein mieser, kleiner, korrupter Fettsack.«
    »So muss man es nun auch nicht ausdrücken an einem so wunderbaren Morgen«, wurde er umgehend zurechtgewiesen.
    Er lächelte und schnitt gut gelaunt eine Semmel auf. »Einen Auftrag haben wir jedenfalls schon sicher. Das ist doch prima, nicht wahr? Gerade jetzt, wo es etwas mau ist.«
    »Es ging uns schon schlechter«, lautete ihre Antwort, »sieh lieber zu, dich etwas von diesem Menschen zu distanzieren. Ich mag es wirklich nicht, wenn du mit ihm da draußen bist. Ich habe das schließlich einmal miterleben müssen. Widerwärtig, mit welchem Geifer dieser Mensch auf die Tiere losgeht.«
    »Wo ist eigentlich Bernd, komponiert er wieder?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
    »Nein. Er ist mit dem Boot am See unterwegs. Er hat mir versprochen, heute Vormittag wieder zurück zu sein.«
    »Will’s hoffen«, knurrte ihr Mann und strich ihr dann zärtlich über den Arm. »Die Rosen … ein Traum.«
    Beide blickten hinaus in den Garten. Kurz darauf klingelte das Telefon.
    *
    Auf dem Festland und ein gutes Stück von Seeufer und Tagesanbruch entfernt, in Reutin, hoch über dem blanken Spiegel des Sees und jenseits von Steig und Lugeck, erlosch das warme Licht einer Lampe hinter einem Fenster. Im letzten Schein war die Einrichtung einer Küche zu erkennen. Ein Mann trat gleich darauf vor das Haus und hob den Kopf zum Himmel, wo sich ein unendlich wirkendes Blau entfaltete. Der Glanz der Sterne war nun festlicher und strahlender. Ganz im Süden sanken die Sternbilder von Steinbock und Wassermann dem Horizont zu. Aus der Ferne war vereinzeltes, sanftes Summen von Motoren zu hören und der belebende Duft von frischem Gras und blühenden Sommergärten weckte den Geist. Der Sommer begann zärtlich in diesem Jahr.
    Walter Zenger war alleine unterwegs. Vorsichtig querte er die Kemptener Straße. Der Fahrtwind ließ die kurzen Ärmel seines Hemdes flattern und rauschen. Ein flüchtiger Schauder rieselte über seinen Rücken. Er genoss es. Wie alle diese Empfindungen, die er bislang in seinem Leben nicht, oder nur beiläufig wahrgenommen
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