Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
Vom Netzwerk:
konnte. Ihr stand ein ausgemergelter Mittfünfziger gegenüber, mit grauen Haarsträhnen, eingefallener, gelblicher Gesichtshaut und tief liegenden Augen unter der kantig vorstrebenden Stirn. Muskulös war er immer noch und sein Blick verriet, dass ihm noch eine bösartige Kraft innewohnte. Die Narbe unter dem Auge unterstrich diesen Eindruck.
    Den Vorwurf, Frau Dr. Agnes Mahler am vergangenen Samstagmorgen im Lindauer Segelhafen durch einen Messerstich in den Rücken ermordet zu haben, nahm er ohne jegliche äußere Regung entgegen. Kein Auge zuckte, keine Hand rührte sich, nicht die geringste Übersprunghandlung war an ihm festzustellen. Nach der Belehrung erklärte Gahde mit fester Stimme, sich nicht äußern zu wollen.
    Lydia Naber war sich nun, da sie ihm gegenübersaß, wirklich unsicher geworden, wie sie beginnen und was sie ihm sagen sollte. Wenzel und Kimmel saßen zu ihrer Seite. Beide schauten ernst, Kimmel eine Spur grimmiger, über den Tisch auf Gahde, der ihnen mit offenem Blick begegnete.
    Lydias erstes Wort lautete: »Achillea millefolium.« Sie wartete einen Moment. Gahde sah sie ohne Regung an.
    Sie fuhr fort: »Das sollte Ihnen als Pharmakologen schon etwas sagen – die gemeine Schafgarbe! Können bis zu siebzig Zentimeter hoch werden. In unserem Fall sind es gute dreißig. Es sind ausdauernde, krautige oder halbstrauchige Pflanzen. Die Blüten sind hell, je nach Standort mit einem Schlag ins Violette.« Sie wartete wieder. »Euphrasia officinalis hätten wir auch noch – Augentrost! Wächst auf Wiesen, an trockenen Ufern und in lichten Wäldern, ist einjährig und wird etwa fünfzehn Zentimeter hoch. Seine Blüten erinnern ein wenig an Augen, was im Rahmen der alten Signaturenlehre ursprünglich den Bezug zu Augenproblemen aufgezeigt hat und auch bei der Namensgebung beteiligt war. Die Blüten sind weiß, violett und manchmal gelb gemustert. Wild wachsende, unscheinbare Pflänzchen können es mit einer Rose oder Orchidee nicht aufnehmen, nein. Sie sollten aber etwas interessierter an diesem kleinen botanischen Ausflug sein, Herr Gahde. Wegwarte, Jungfer im Grünen und Kornrade haben wir auch noch im Angebot. Aber gut damit. Die Frage, die uns interessiert, lautet: Aus welchem Grund haben Sie Frau Dr. Agnes Mahler so brutal getötet, denn dass Sie es waren, das steht außer Frage. Ich habe es Ihnen ja gerade berichtet.«
    Sie wartete auf eine Reaktion, doch Gahde sah ihr offen ins Gesicht und nicht ein Gesichtsmuskel bewegte sich.
    Nahm der Medikamente?, dachte Lydia Naber. Gerade als sie weitersprechen wollte, sagte ein tiefer Bass, den sie der zähen Gestalt nicht zugerechnet hätte: »Sie müssen beweisen können, was Sie sagen.«
    »Kann ich, Herr Gahde. Für Sie wird es darauf ankommen, mit einem Geständnis Ihre Lage ein wenig zu verbessern. Aber zu den Fakten. Sie sind am letzten Samstagmorgen mit Ihrem Kajak vom Lindauer Kanuclub aus zum Segelhafen gepaddelt und haben dort auf der Mole Frau Mahler aufgelauert. Die Information dazu hatten Sie von Grohm. Der hockt in Lindau in Haft. Ihr dunkler Neoprenanzug war eine ideale Tarnung im Dunkeln. Das schon. Neopren besitzt eine sehr feine, elastische Porenstruktur, die sich unter Druck verändert – weicher Kunststoff eben. Wir können beweisen, dass Sie auf der Südmole waren, denn in der Sohlenstruktur Ihres linken Neoprenstiefels haben wir – aus kriminaltechnischer Sicht – große Mengen Augentrost und gemeine Schafgarbe feststellen und sichern können. Auf der Mole, hinten in der Nische, in der Sie gewartet haben, da lag ein Strauß mit Wildblumen, in den sind sie getreten. Vermutlich haben Sie sich auf den Pflanzen gedreht, denn in vielen der Poren waren die Blütenteile regelrecht eingeschlossen. Um etwaige Zweifel ausschließen zu können – die gentechnische Analyse ist heute schon so weit nachweisen zu können, dass die Spuren, die wir an Ihren Stiefeln haben sichern können, exakt zu den Pflanzen auf der Mole gehören. Wir wissen auch schon, dass niemand anderer als Sie die Stiefel getragen hat. Es steht also fest: Sie waren auf der Mole. Aber es kommt noch genauer. Wir können auch beweisen, dass Sie das Tatmesser in der Hand gehalten und zugestochen haben. Als wir die feinen lilafarbenen Abriebe am Stiefel entdeckt und uns mit dem Material Neopren genauer befasst haben, hatte mein Kollege eine sehr praktische Idee …«
    Wenzel musste sich räuspern, bevor er reden konnte. »Sie haben Ihre Handschuhe sehr intensiv beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher