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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
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Anwalt die Dienststelle. Er und Grohm duzten sich. Regungslos nahm der Anwalt von Schielin die Informationen entgegen. Danach wurde ihm Gelegenheit gegeben, mit seinem Mandanten alleine zu sein.
    Grohm machte anschließend einen entkrampfteren Eindruck. Fast war es so, dass seine Augen einen freudigen, angriffslustigen Glanz zeigten, als Lydia Naber wieder den Platz ihm direkt gegenüber, an der Längsseite des Tisches einnahm. Schielin saß ein Stück daneben, fast an der Tischkante, und Wenzel blieb an der schmalen Seite.
    Lydia Naber stellte zunächst keine Fragen, sondern berichtete sachlich von dem Hergang, wie und wann man Agnes Mahler im Lindauer Segelhafen aufgefunden hatte. Über Frederic Gahde, der sich im Moment bereits auf dem Weg nach Kempten befand, verlor sie kein Wort. Sie legte dar, dass Grohm selbst mehrfach angegeben hatte, zum infrage kommenden Tatzeitraum einen morgendlichen Spaziergang gemacht zu haben, und dass er somit zum Tatzeitpunkt am Tatort hätte gewesen sein können. Sie benannte als mögliches und nachvollziehbares Motiv zunächst die Angelegenheit den Doktortitel betreffend, kam dann zügig zur Tasche und deren Inhalt, wobei sie eingehend die Spurenlage erläuterte. Grohm nestelte, während sie sprach, gelangweilt entweder am Jackett, an Hemdknöpfen oder an seiner Krawatte herum. Sein Anwalt hörte konzentriert zu.
    »Wie kommen Sie zu der Tasche von Frau Mahler?«, fragte sie schließlich.
    Der Anwalt fragte mit irritiertem Ton: »Entschuldigen Sie, aber ist das alles? Haben Sie keinerlei Spuren, die zweifelsfrei nachweisen, dass sich mein Mandant auf dieser Mole, also am Tatort befunden hat?«
    »Nein, eine solche Spur haben wir nicht.«
    »Ja, vermutlich deshalb, weil mein Mandant sich dort nicht aufgehalten hat, nicht wahr! Deshalb haben Sie keine Spuren von ihm dort finden können.«
    »Er wird beantworten müssen, wie er an die Tasche der Toten gekommen ist.«
    »Er hat sie gefunden«, lautete die Antwort des Anwalts. Er sagte es in einem Ton, der jeglichen Zweifel über seine Aussage als lächerlich darstellen sollte, »er hat sie gefunden, auf seinem morgendlichen Spaziergang.«
    Schielin und Lydia Naber hatten mit dergleichen gerechnet. Sie nahmen es gelassen zur Kenntnis. »Und wo will er die Tasche gefunden haben?«
    »Am Bahndamm. Er hat sie am Bahndamm gefunden und natürlich befinden sich seine Fingerabdrücke und DNA-Spuren an der Tasche. Diese Spuren besagen aber nicht, dass mein Mandant am Tatort gewesen ist und auch nicht, dass er Frau Mahler getötet hat. Seit vielen Jahren kommt Herr Grohm schon nach Lindau und hat Zugang zum Garten seines inzwischen verstorbenen Freundes. Er hat die Tasche letzten Samstagmorgen dort liegen lassen. Als er dann am Vormittag von dem schrecklichen Geschehen erfahren hat und von Anbeginn an Ihren heftigen Verdächtigungen und Nachstellungen ausgesetzt war, hat er, zudem noch unter dem Eindruck dieses schweren, ja für ihn traumatischen Erlebnisses, keinen Mut mehr gefunden, Sie auf diese Tasche anzusprechen. Hätten Sie Ihre Ermittlungen ausgewogener und unvoreingenommen geführt, wären Sie vermutlich schon ein Stück weiter. Mein Mandant war nicht am Tatort und es gibt keine Spuren, die dies beweisen. Haben Sie einen anderen Verdächtigen?«
    Lydia Naber ging nicht auf die letzte Frage ein.
    Schielin sagte sarkastisch: »Es tut uns wirklich leid, dass Ihr Mandant sich von uns ungerecht behandelt, ja sogar verfolgt fühlte. Uns gegenüber hat er diesen Eindruck nicht gemacht.«
    Lydia Naber machte weiter. »Herr Grohm hat bei unserer Befragung hinsichtlich seiner morgendlichen Spazierrunde die Unwahrheit gesagt. Er hat Frau Schirr an einer Stelle gesehen, die von seiner Spazierroute aus niemals eingesehen werden kann.«
    Der Anwalt zuckte mit den Schultern.
    Lydia Naber startete die Aufnahme der ersten Befragung von Grohm und spielte eine Sequenz ab, in welcher Grohm eine Beschreibung von Agnes Mahler abgegeben hatte: Dieser leuchtend rote Schal auf dem dunklen Kostüm zum Beispiel. Ein warmes Rot und leuchtend, aber nicht zu rot und nicht zu leuchtend, schon gar nicht ins Schreiende oder Ordinäre ab driftend – das wäre ihr nicht passiert. Ihr nicht. Es ist schade, zukünftig auf diesen Anblick verzichten zu müssen.
    Grohm lauschte seinen eigenen Worten.
    Lydia Naber schob eine Plastikhülle über den Tisch. Eine Rechnung befand sich darin. »Das haben wir unter anderem in der Tasche der Toten gefunden. Es ist die Rechnung eines
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