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Insel der Rebellen

Insel der Rebellen

Titel: Insel der Rebellen
Autoren: Patricia Cornwell
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Hammer ein, denn sie wusste, dass sie ihn ohnehin nicht aufhalten konnte. Sie sagte, er könn e seine Website anonym ins Netz stellen und offiziell in ihren Diensten bleiben, allerdings unter der Bedingung, dass er die Sache für sich behielt. Gouverneur Bedford Crimm IV, ein unerträglicher alter Mann von aristokratischem und autokratischem Auftreten, habe ihr, Hammer, untersagt, ohne seine ausdrückliche Zustimmung Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Selbstverständlich dürfe nichts von dem, was Andy schrieb, direkt mit der Virginia State Police in Verbindung gebracht werden, doch gleichzeitig sei er gehalten, sie so positiv darzustellen, dass sie Unterstützung in der Öffentlichkeit finde. Für Notfälle müsse er unbedingt zur Verfügung stehen. Wenn er unbedingt Flugstunden nehmen wolle, müsse er eben sehen, wie er zurechtkomme.
    Noch einmal stellte er sein Glück auf die Probe und fragte: »Bekomme ich Reisespesen?«
    »Wofür, wo wollen Sie hinfahren?«
    »Ich muss archäologische und historische Recherchen unternehmen.«
    »Ich dachte, es geht Ihnen um die menschliche Natur und das Verbrechen. Und nun wollen Sie Hubschrauber fliegen und in der Weltgeschichte herumkutschieren?«
    »Wenn ich wissen will, was heute nicht stimmt in Amerika, muss ich erst einmal herausfinden, was in seinen Anfängen nicht stimmte. Und Sie brauchen Piloten. In den letzten drei Monaten haben zwei gekündigt.«
    Andy saß am Esszimmertisch, den er zu einem hoffnungslos überladenen Schreibtisch umfunktioniert hatte, tippte das Passwort in den Computer und öffnete eine Datei. Nach zwölf Monaten mühseliger Recherchen, Schreibarbeiten, Flugstunden und theoretischem Unterricht brannte er darauf, Gesetzesbrecher zu jagen un d Gewaltverbrechen aus der Luft und am Boden aufzuklären. Genauso lag ihm daran, dass die Leute lasen, was er zu sagen hatte. Oft malte er sich aus, er wäre mit seinen Kollegen unterwegs und könnte hören, wie sie sich über die neuesten Artikel auf der Website von Trooper Truth unterhielten. Niemand würde ahnen, dass Trooper Truth mitten unter ihnen war und neue Informationen aus ihren Kommentaren gewann. Nur Hammer wusste Bescheid. Sie und er hatten sich große Mühe gegeben, die Identität von Trooper Truth geheim zu halten.
    Als er beispielsweise Reisen nach England und Argentinien unternommen hatte, um dort zu recherchieren, war er einfach ein 28-jähriger Student, der sich mit Geschichte, Kriminologie und Anthropologie befasste. Zum ersten Mal hatte Andy undercover gearbeitet, und er wunderte sich noch heute, dass niemand überprüft hatte, ob er tatsächlich an irgendeiner Uni eingeschrieben war.
    Obwohl Andy sich nicht ständig mit den Augen anderer betrachtete, war ihm doch bewusst, dass er gewisse Vorzüge besaß. Er war groß, ein richtiger Modellathlet. Seine Gesichtszüge waren so fein und gleichmäßig, dass er als Junge oft verspottet worden war, weil er so süß aussah. Er hatte hellblondes Haar, und in seinen blauen Augen spiegelten sich seine Gedanken und Stimmungen, wie der Himmel seinen Ausdruck mit den ziehenden Wolken und dem Licht verändert. Mal waren sie stürmisch, mal friedlich oder außerordentlich eindringlich. Sein Verstand arbeitete rasch und mühelos, und seine Worte konnten wie Silber glänzen - und genauso hart sein, wenn nötig.
    Nie hatte Andy Mühe gehabt zu bekommen, was er haben wollte, weil sich die Menschen meist zu ihm hingezogen fühlten oder zumindest seine Nähe suchten. Er hatte hart daran gearbeitet, die Leere seiner frühe n Kindheit zu kompensieren. Der Vater war umgebracht worden, als Andy noch klein war, und er blieb mit einer alkoholkranken Mutter zurück, die ihren Sohn nie richtig akzeptiert oder wahrgenommen und ihn der einsamen Welt seiner Nöte und Phantasien überlassen hatte.
    Wäre er anders aufgewachsen, hätte er sicherlich die Isolation nicht ertragen, die notwendig war, um die Artikel zu recherchieren und zu schreiben, die die Welt jetzt lesen sollte. Doch nun, da der Zeitpunkt der Veröffentlichung gekommen war, fühlte er sich so unruhig und düster wie der Morgen, der vor seinen Fenstern dämmerte. Schwere Wolken hingen über der Stadt. Als ein Blitz die dunkle Dämmerung äderte, dachte er, dass es ein schlechtes Omen wäre, wenn ein Stromausfall seinen Computer abstürzen ließe. Das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Immerhin sind Sie schon wach«, sagte Judy Hammer, ohne sich damit aufzuhalten, ihm einen guten Morgen zu
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