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Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Titel: Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Autoren: Daniela Ohms
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draußen führte.
    Eleni ging mit langsamen Schritten, aber so zielstrebig darauf zu, als hätte sie einen Plan für ihre Wanderung.
    Leándra dachte an die Klippen, sie waren kaum zwanzig Meter vom Haus entfernt. Es gab kein Geländer, nicht einmal einen kleinen Wall, der einen daran hindern würde, dort hinunterzustürzen.
    Leándra wollte ihrer Schwester Warnungen zurufen, wollte sie wecken und wieder in ihr Bett schicken. Aber sie wusste, dass es sinnlos wäre: Eleni wachte nicht auf, und wenn, dann war sie entweder verwirrt oder extrem wütend. Leándra dachte daran, welche Kraft ihre kleine Schwester entwickelte, wenn man versuchte, sie festzuhalten, und sie konnte nur hoffen, dass Elenis Ziel nicht die Klippen waren.
    Wie hatte ihre Mutter nur ein Haus kaufen können, das an so einer gefährlichen Stelle lag?
    Eleni öffnete die Haustür, trat nach draußen – und fing an zu rennen.
    »Halt!« Leándra schrie, stürmte aus der Haustür und fand ihre Schwester mindestens dreißig Meter entfernt. Sie lief nicht zu den Klippen, jedenfalls nicht zu den nächstliegenden. Eleni rannte über die offene Hochebene, in die Richtung, in der die Ausgrabungsstätte des Tempels lag. Rechts von ihr türmte sich der Berg auf, der die Hochebene zum Landesinneren begrenzte, und warf im Licht des Mondes einen tiefen Schatten über Elenis rennende Gestalt.
    Leándra setzte ihr nach. Die Angst pulsierte durch ihre Adern. Auch hinter dem Tempel gab es Klippen! Was, wenn Eleni nicht anhielt, wenn sie weiterrannte, bis sie dort hinten in die Tiefe stürzte?
    Nie zuvor war Leándra so schnell gelaufen, spitze Steinestachen in ihre nackten Füße, aber die Panik betäubte den Schmerz und ließ sie immer schneller werden.
    Eleni war in der Ferne kaum noch auszumachen. Ihr dunkelblaues Nachthemd tarnte sie in der Schwärze der Nacht, im Schatten des Berges. Nur ihre Arme und Beine schimmerten hell. Sie war schnell, so verflucht schnell! Kein anderer Mensch konnte so rennen wie sie.
    »Eleni!« Leándra schrie ihr verzweifelt hinterher.
    Warum hatte sie nicht nach ihrer Mutter gerufen? Als sie durch den Flur gelaufen waren – warum hatte sie Arjana nicht mit lauten Schreien geweckt, bevor Eleni nach draußen verschwunden war?
    Erst als die schmale Gestalt ihrer Schwester wieder näher rückte, erkannte sie, dass Eleni stehen geblieben war. Langsam aber sicher holte Leándra sie ein, kam schließlich nah genug, um zu sehen, dass Eleni inmitten der Ausgrabungsstätte stand. Bislang war es nur ein kahles Rechteck, auf dem der Boden bereits von Steinen, Büschen und Humus befreit war. Der Bagger, der diese Arbeit geleistet hatte, stand noch am Rand der Fläche und schimmerte im Licht des Mondes.
    Leándra sprang über das Absperrband, das ihr den Weg versperrte. Direkt neben Eleni kam sie zum Stehen. Für einen Moment wollte sie ihre Schwester in den Arm nehmen. Aber Elenis Blick ruhte noch immer in der Ferne. Sie stand so reglos da wie eine Statue und blickte auf das Meer hinaus. Nur ihr Nachthemd und die schwarzen Locken flatterten im Wind.
    »Wer zum Teufel bist du?«, flüsterte Leándra.
    Sie hatten niemals erfahren, wer Elenis Vater war. Was auch immer der dunkle Teil war, der sich in ihrer Halbschwester versteckte – er musste von ihm stammen.
    »Du willst wissen, wer ich bin?« Eleni sprach beiläufig, so wie sie es immer tat, wenn sie schlafwandelte. »Ich bin ein Kind der Nacht.«
    Leándra schauderte. Ihre Schwester hatte noch nie auf solche Fragen geantwortet. »Heißt das, du weißt, woher du stammst? Wer ist dein Vater?«
    Eleni rührte sich nicht, für eine ganze Weile erstarrte sie wieder zu einer Statue, ehe sie doch noch etwas sagte: »Bald wird es beginnen!«
    Leándra wurde kalt. Sie verschränkte die Arme und versuchte sich zu wärmen. »Wovon sprichst du? Was wird beginnen?«
    Eine Windböe streifte über die Hochebene, wehte um Elenis Körper und wirbelte die Haare vor ihr Gesicht. »Manche Antworten lassen sich nicht aussprechen. Nur wer sie erfährt, wird sie begreifen.«
    Leándra starrte ihre Schwester an. Ihr schmaler Mädchenkörper erschien ihr plötzlich größer als sonst. Es fehlte nicht mehr viel, dann wäre Eleni so groß wie sie selbst, und Leándra war sich plötzlich sicher, dass ihre Schwester gestern noch ein paar Zentimeter kleiner gewesen war.
    Oder stand sie nur auf einer Erderhebung, die sie größer wirken ließ?
    Endlich löste Eleni sich aus ihrer Starre. Sie ging in die Hocke, legte ihre
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