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Insel der glühenden Sonne

Titel: Insel der glühenden Sonne
Autoren: Patricia Shaw
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Beschwerde einlegen.
            »Hör auf zu grübeln«, meinte George. »Kannst nichts dran machen. Wenn du nicht drüber nachdenkst, ist es halb so schlimm. Machst es dir nur selber schwer, Angus.«
            George war ein freundlicher Bauer aus Südengland, der sich angeblich einen preisgekrönten Ziegenbock »ausgeliehen« hatte, um seine Zuchtziege zu decken. So war er mit dreihundert anderen Männern auf diesem stinkenden Wrack von einem Schiff gelandet, auf dem immer wieder Kämpfe ausbrachen.
            Erst vor zwei Nächten hatte ein Schläger namens Lester Harris, der sich selbst zum Boss eines Arbeitstrupps ernannt hatte, einen Mann wegen einer Meinungsverschiedenheit bewusstlos geschlagen. Dann hatte er sich noch die Decke des Mannes schnappen wollen, doch George war dazwischengegangen.
            »Wer will mich davon abhalten?«, hatte Harris gebrüllt, doch als George unvermittelt ein Messer zog, hatte sich der Streit schnell gelegt, und der Verletzte konnte seine Decke behalten.
            »Auf Waffenbesitz stehen furchtbare Strafen«, fühlte Angus sich bemüßigt zu erklären. »Harris wird dich melden.«
            »Wird er nicht«, grinste George. »Dazu fehlt es ihm an Mumm.«
             
            Als Angus sich noch in Newgate befand, war es ihm gelungen, seiner Cousine Ursula einen Brief an seine Eltern mitzugeben. Sie sollte sie nach London holen, damit er sich wenigstens von ihnen verabschieden konnte. Sie hatten ihn im Glasgower Gefängnis nicht besucht, obwohl Ursula sie hatte überreden wollen, doch ihre Bestürzung und Verwirrung waren wohl zu groß gewesen. »Es ging alles so schnell«, hatte sie beim Besuch erklärt. »Und sie kennen sich nicht mit den Vorschriften aus.«
            »Aye, verstehe, es muss ein Schock gewesen sein, als sie mich verhafteten, aber wenn jemand mitkommt … und sie herbringt …«
            »Ich werde es versuchen. Aber du weißt auch, dass sie mich für ein gefallenes Mädchen halten, weil ich im Grand Hotel arbeite und wohne. Selbst meine Mutter sieht mich mittlerweile schief an.«
            »Sie waren immer besonders auf Anstand bedacht. Meine Mutter ist streng gläubig, aber wenn sie mich auf Jahre aus dem Land verbannen, ohne dass ich ihr Lebewohl sagen könnte, würde es mir das Herz brechen. Natürlich darfst du es nicht so ausdrücken, aber sie werden womöglich sterben, bevor ich heimkehre, das wäre die schlimmste Strafe überhaupt.«
            Er stand vor dem vergitterten Fenster und trat gegen die Wand. »Begreifen diese verfluchten Richter denn nicht, dass solche Strafen unerhört und unverantwortlich, dass sie dem Vergehen in keiner Weise angemessen sind?«
            Ursula hatte respektvoll genickt. Das Mädchen wusste gar nicht, worüber er sprach; die Armen waren so niedergedrückt, dass sie selten aufblickten, geschweige denn die Faust erhoben, um sich zu wehren. Und seine Mutter war genauso, wenn nicht noch schlimmer. Sich über Hungerlöhne zu beklagen, kam in ihren Augen einer Verletzung der eigenen Würde gleich.
            »Sollen uns die Leute denn für bettelarm halten?«, hatte sie eines Abends getobt, als er von einer Protestveranstaltung heimkehrte.
            »Wir sind bettelarm.«
            »Dann hättest du mal sehen sollen, wie wir aufgewachsen sind. Ein Topf Haferschleim zum Abendessen, wenn wir Glück hatten. Geld für Feuerholz gab es nicht. Und die Winter waren damals kälter …«
            Sie wehrte sich gegen Veränderungen, trug ihr Leben lang Schwarz, einen Rock für den Winter, einen für den Sommer. Und dankte dem Herrn, der sie behütete.
            Dann versuchte er es bei seinem Vater. »Die großen Herren bestehlen uns. Mästen sich durch unserer Hände Arbeit. Verstehst du das denn nicht?«
            Doch Jim McLeod hielt nichts von solchem Gerede. »Vielen geht es noch schlechter als uns.«
            »Sicher, denen müssen wir auch helfen.«
            »Ich finde, du solltest deine Arbeit tun und dich um deine Angelegenheiten kümmern.«
            Ursula stand in der Zellentür und rief ihn in die Gegenwart zurück. »Sorge dich nicht, Angus, ich sage deiner Mutter, dass nicht viel Zeit bleibt.«
            Doch seine Eltern waren zu spät gekommen und hatten ihn in London nicht mehr finden können. Nur wohlhabende Leute wie Familie Harris konnten dafür bezahlen,
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