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Insel der glühenden Sonne

Titel: Insel der glühenden Sonne
Autoren: Patricia Shaw
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verschiedene Vergehen, für die man die Todesstrafe verhängen kann, und es sind weit harmlosere darunter.«
            »Was?« Sie war entsetzt zurückgewichen. »Das kannst du doch nicht wirklich wollen! Die Todesstrafe, bist du von Sinnen? Unsere Tochter ist erst zwölf, du würdest doch nicht …« Sie konnte nicht weitersprechen und stürzte in die Nacht hinaus; ihr Klagen verhallte in der dunklen Straße.
            Als Nächstes hämmerte der alte Harris an seine Tür, doch Jonathan öffnete nicht. Er hielt eine Gefängnisstrafe in Newgate für die angemessene Lösung. Zehn Jahre Haft statt des Galgens.
            Die vergangene Nacht hatte an seinen Nerven gezehrt. Er träumte von Tumulten im Dorf, von Plünderung und Brandschatzung und sah sich selbst im hellen Sonnenschein unter dem Galgen stehen, während Kinder zu seinen Füßen spielten und die bunt geschmückte Schlinge vor seinen Augen baumelte.
            Jonathan war noch erschöpft von den schlimmen Träumen und der bedrückenden Erkenntnis, dass ihm jede Entscheidung Zorn und Entrüstung einbringen würde.
            Dann wurde ihm klar, dass Newgate eigentlich viel zu nah war.
            Er malte sich die Zukunft aus und sah Mitglieder des Harris-Clans und ihre Freunde, die nach Besuchen in dem üblen Zuchthaus wieder und wieder ihre Wut an Lesters Richter ausließen. Jonathan wollte nicht am Pranger enden, so Leid es ihm auch tat, dass ausgerechnet er Josettas Mann verurteilen musste.
            Er griff nach seinem Hammer und rief den Saal zur Ordnung, bevor er das Urteil verkündete: »Lester Harris, hiermit verurteile ich Sie für dieses Verbrechen zu zehn Jahren Haft, die Sie in der Strafkolonie Van Diemen’s Land verbüßen werden. Sie werden umgehend ins Newgate-Gefängnis gebracht und so bald wie möglich in die Kolonie verbracht.«
            Harris wurde davongezerrt, während er wüste Beschimpfungen ausstieß, doch seine Stimme erstarb in dem Geschrei, das durch den Saal hallte. Jonathan hatte noch weitere Fälle zu verhandeln, vertagte sich aber und suchte Zuflucht im Büro des Urkundsbeamten, bis sich die Menge zerstreut hatte. Dann war es vorbei, er verspürte Erleichterung. Bis auf Josetta und ihre Tochter würden die Menschen Lester Harris bald vergessen.
            Und wenn sie halbwegs vernünftig war, würde sie sich scheiden lassen.
             
            An diesem Abend kam Josettas Schwiegervater Marvin Harris zu Besuch. Er tobte vor Zorn über das Urteil.
            »Josie, ich bin ein praktisch veranlagter Mann, also reden wir offen darüber. Ich weiß, Glencallan gehört meinem Sohn, er hat es von seinem Großvater geerbt, aber du kannst die Farm nicht ohne Lester führen. Er wird nicht zurückkommen, daher müssen wir gemeinsam versuchen, sie zu halten.«
            Sie saß am Küchentisch, betäubt vom Weinen, und konnte an nichts anderes denken als an die brutale Strafe, die ihr eigener Cousin über Lester verhängt hatte. Entsetzt hatte sie zugesehen, wie man ihren Mann wegschleppte. Sie konnte das ganze Ausmaß der Strafe noch gar nicht erfassen … ihr Mann, ihr Geliebter, würde zehn Jahre von ihr getrennt sein. Das war nicht möglich. Es war, als würde man sagen, es werde zehn Jahre lang Nacht bleiben oder der Mond nie wieder am Himmel erscheinen. Sie ließ Marvin weiterreden. Sie hatte nie viel Wert auf Lesters Familie gelegt und konnte nur an die Qualen denken, die er jahrelang in einem finsteren Gefängnis würde erdulden müssen.
             
            Als Marvin schließlich überzeugt war, dass Josetta seine Pläne verstanden hatte, begleitete er sie nach London, wo sie Lester im Gefängnis besuchen wollte.
            Newgate war der entsetzlichste und schmutzigste Ort, den Josetta je erlebt hatte, und obwohl sie es nicht aussprach, war sie froh, dass ihr Mann nicht mehr lange dort gefangen sein würde. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass Jonathans Urteil auch Vorteile bergen könnte.
            Auf Marvins Rat hin verbarg sie ihr Gesicht unter der Kapuze, als sie durch die stinkenden, steinernen Flure gingen.
            »Sieh nicht hin, Josie, das ist nichts für dich. Die üblen Kerle sollen dir nicht ins Gesicht grinsen.«
            Er bezahlte einen Wärter, der Lester in eine leere Zelle führte, wo sie sich ungestört unterhalten konnten. Sein Anblick schockierte sie.
            »Wird Zeit,
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