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Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum

Titel: Insalata mista: Aus dem Leben einer italienischen Working Mum
Autoren: Claudia de Lillo
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Mathias war da, der Sohn von Helenka, dem magersüchtigen polnischen Fotomodell, dem Mister Wonder schmachtende Blicke zuwarf. Aisha aus Ägypten war da, die vom kleinen Hobbit, der sie verehrt, in »shsh« umgetauft wurde. Während sie von ihrer verschleierten, kaum dem Teenageralter entwachsenen Mutter gestillt wurde, hing sein Blick unverwandt an ihr. Ramona aus Ecuador war da, begleitet von ihrem dreizehnjährigen Bruder Javier, der seinen iPod nicht abnahm. Ramona und Javier haben allein drei Liter Coca-Cola getrunken und drei Zitronentorten verdrückt. Auch Viola-ich-werde-mal-ein-richtiges-Arschloch war da. »Ich-will-nach-Hause-ich-will-nach-Hause«, wiederholte sie wie eine kaputte Schallplatte, doch ihre Mutter telefonierte und beachtete sie gar nicht.
    Es wurden weder im Chor Lieder über das Jesuskind gesungen noch Gedichte auf Englisch aufgesagt. Stattdessen herrschte reine Anarchie.
    Aber die Kinder haben wie verrückt gelacht, sie haben sich klebrige, leidenschaftliche Küsse gegeben und ebenso unbeholfen wie glücklich getanzt.
     
Freitag, 21. Dezember
    Wi wischju ä Märri Crissmess
     
    Wenn 27 kleine Kinder in Weihnachtsuniform (Jeans und rosa T-Shirt) mit geschlossenen Augen und weit aufgerissenem Mund »Wi wischju ä Märri Crissmess Wi wischju ä Märri Crissmess ändä häppi Nju Jiiier« singen, reagiert das Publikum ganz unterschiedlich:
    1. Manche weinen (Die Mama von Clementina, die den Hobbit mal »Arschgesicht« genannt hat).
    2. Manche sehen auf die Uhr (der Papa von Lisa, der kleinen Sängerin, deren imaginären Hund man getötet hat).
    3. Manche sagen: »Misstönend wie Glocken!« (Oma K).
    4. Manche sind abgelenkt, weil sie sich vergeblich bemühen, einen wild gewordenen kleinen Hobbit zu bändigen (Mister Wonder).
    5. Manche sollten das unvergessliche Ereignis eigentlich filmisch festhalten, werden aber von unbändiger Lachlust geschüttelt (Elasti-Mama).
    6. Manche soufflieren die Worte (die Mama von Elena, an die der Liebesbrief des großen Hobbits gerichtet war).
    7. Manche wären am liebsten ganz woanders (die Mama und der Papa von Amir).
     
Dienstag, 25. Dezember
    Weihnachtsfreuden
     
    Heute Morgen hat der kleine Hobbit beim Erwachen, ungeachtet der vom Weihnachtsmann unter dem Baum hinterlassenen Geschenke, der festlichen Atmosphäre und der freudig erregten Stimmung der Familie, wie jeden Morgen gebrüllt: »Mils, Mils!«.
    »Die Milch gibt es später, mein Schatz. Es ist Weihnachten! Alles Gute!«, erklärte Mister Wonder, hob ihn aus dem Bettchen und trug ihn ins Ehebett.
    Der Kleine bedachte die mit Schlafanzügen bekleideten Eheleute mit einem finsteren, feindseligen Blick und schwieg eine Weile.
    Dann fragte er, in dieser Reihenfolge:
    1. »A?« (= Valentina Diolabenedica)
    2. »Pappo?« (= Mattia, der Verlobte von Valentina Diolabenedica)
    3. »Nanna?« (= Rosanna, Mutter von Valentina Diolabenedica)
    4. »Puppo?« (= Filippo, Vater von Valentina Diolabenedica).
    Unleugbar wäre der kleine Hobbit manchmal gerne ganz woanders.
     
Montag, 31. Dezember
    Kamikaze-Neujahr
     
    Im neuen Jahr will Elasti-Mama ein Kamikaze-Projekt verwirklichen: Sie will Mister Wonder überreden, einen dritten Hobbit zu machen.
    »Vergiss es«, sagt er.
    »Du bist total verrückt! Wenn ihr noch ein Kind bekommt, steht dir ein Nervenzusammenbruch bevor, die Wohnung platzt aus allen Nähten, das Auto implodiert und dein Mann verlässt dich wegen einer jamaikanischen Studentin«, sagt Oma K.
    »Das ist deine Sache, ich habe immer davon geträumt, Sippenoberhaupt eines großen Clans zu sein«, sagt Opa T.
    »Ich will einen Jungen, ganz ohne Haare. Er kann in der Spielzeugkiste schlafen«, sagt der große Hobbit.
    Der kleine Hobbit würde sich furchtbar ärgern, weil alles Neue ihn irritiert. Aber das würde schnell vorbeigehen.
    Towanda und Mister Brown schweigen und lächeln.
    Elasti-Mama denkt oft voll Sehnsucht daran.
    Elasti-Mama denkt oft daran, weil noch jemand fehlt.
    Elasti-Mama denkt daran, weil sie leichtsinnig ist.
    Elasti-Mama denkt daran, weil sie Glück gehabt hat und man Glück teilen sollte.
    Elasti-Mama denkt daran, denn »the more the merrier«. Elasti-Mama denkt daran, weil man im Leben nicht zu viel überlegen sollte.
    Elasti-Mama denkt daran, weil in jedem von uns ein kleiner Kamikaze steckt.
    Elasti-Exkurs 12
    Hände weg von den Palicao-Keksen
     
    Als Elasti-Mama damals, 1994, nach Bari fuhr, um die Familie von Mister Wonder kennenzulernen, hatte sie eine Höllenangst.
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