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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere
Autoren: Sarah Fine
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stark genug sein würde.
    Es sah aber so aus, als müsste ich meine erste Schlacht schon jetzt austragen. Ich war müde, benebelt und außer mir vor Trauer wegen Malachis Verrat – aber was er mir beigebracht hatte, wusste ich noch. Ich duckte mich. »Na los, Clarence. Zeig mir mal diese flippigen Zähne von Nahem.«
    Clarence tat mir den Gefallen und Nadia schrie. Er rannte auf mich zu, verbiss sich in meinen Rippen und drängte mich zurück, bis wir gegen den Müllcontainer donnerten. Aber er hatte nur auf Leder gebissen.
Danke, Michael.
    Ich hob den Ellbogen und verpasste Clarence einen Hieb zwischen die Schulterblätter. Er warf mich um und wich aus, bevor ich ihn packen konnte. Nun stürmte er auf Nadia zu, aber ich sprang auf und gab ihm einen Tritt in den Hintern. Aufheulend schlug er aufs Pflaster, kam aber rasch wieder auf die Beine und rannte auf mich zu. Mit einem Schritt zur Seite wich ich aus, packte Clarence an den Schultern und landete einen Kniestoß in seinem Gesicht. Nach dem ersten Treffer hatte Clarence seine Zähne eingebüßt. Nach dem zweiten war er bewusstlos.
    Die Hand am Messer schaute ich auf ihn herab. Ich wollte das wirklich nicht tun. Aber ich hatte schon so viele Fehler gemacht und durfte auf keinen Fall noch einen begehen. Außerdem sollte ich mich lieber daran gewöhnen. Nadia schrie auf. Und ich empfand nichts. Schon wieder.
    Ich streckte ihr meine blutige, zitternde Hand hin. »Komm, Nadia. Gehen wir.«
    Es war nicht mehr weit. Die Straßen waren hier heller, auf den Gehsteigen sah man mehr Menschen. Auch mehr Wächter. Misstrauisch beobachteten sie, wie ich Nadia hinter mir herzog, aber das musste daran liegen, dass wir zu zweit waren. Jedenfalls erkannten sie mich nicht. Unmöglich hätte Malachi sie so schnell von meiner Flucht benachrichtigen können. Zum ersten Mal war ich froh, dass es in der Hölle kaum moderne Technik gab.
    Das blendend weiße Gebäude lag nun vor uns. Ich legte Tempo zu. »Nadia, wir sind gleich da«, flüsterte ich. »Bald ist es vorbei.«
    Die Stufen eilte ich so zielstrebig hinauf, dass ich Raphael erst sah, als ich ihm in die Arme lief. Er bekam mich mit seinen unglaublich warmen Händen an den Schultern zu fassen.
    »Du hast es geschafft.«
    Ich versuchte, mich freizukämpfen. So weit wie ich gekommen war, durfte es nicht mehr schiefgehen. »Nicht«, flehte ich. »Ich weiß, was ihr vorhabt, das könnt ihr nicht machen. Bitte. Ich muss sie hier reinbringen.«
    »Ich bin nicht hier, um dich aufzuhalten«, sagte er und ließ mich los.
    Ich sah mich um, rechnete damit, dass Malachi mit gezückten Messern irgendwo aus dem Schatten trat. Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass er mir Nadia wegnahm. Er durfte ihr nichts tun.
    »Er ist nicht da, Lela. Noch nicht. Aber du musst dich beeilen. Zweifellos ist er unterwegs.«
    Ich legte den Kopf schief und sah Raphael an. Irgendetwas stimmte hier nicht. »Wie bist du eigentlich so schnell hergekommen?«
    Er schenkte mir sein blendendes Lächeln. »Komm. Dein Fall wird im Eilverfahren vorgezogen.« Er führte mich am Arm die Treppe hoch, Nadia behielt ich im Schlepptau. Mehrere Leute kamen hintereinander aus dem Gebäude und gingen die Straße hinunter. Sie sahen anders aus als die übrigen Stadtbewohner. Wach und aufmerksam. Ihre Miene war fröhlich, ihre Haut schien zu glänzen. Diese Menschen redeten miteinander, manche waren ins Gespräch vertieft, andere lachten und gaben sich die Hand. Sie wirkten begeistert. Voller Hoffnung.
    Ich folgte Raphael an der Menge vorbei. Er führte mich durch eine große, mit Schnitzereien verzierte Flügeltür in eine Eingangshalle mit hohen Buntglasfenstern. Meere, Berge, Engel und … Waren das etwa Hyänen?
    Die Sonne schien durch die kunstvollen Glasbilder und malte ein Mosaik auf den Boden aus weißem Marmor. Die Sonne. Nirgendwosonst in der Stadt war sie zu sehen, aber hier schien sie strahlend, ja grell.
    Vor uns war eine weitere massive Tür, die sich vom Boden bis hinauf zur wohl zwanzig Meter hohen Decke des Doms erhob. »Ich weiß, was du denkst, und du täuschst dich«, sagte Raphael, als wir vorne am Anfang der Warteschlange stehen blieben.
    »Aha, ich täusche mich und du bist wirklich bloß Arzt?«, fragte ich geistesabwesend angesichts der furchteinflößenden Pracht dieser Halle. Malachi hatte recht. Das war anders als die Gerichtsgebäude, die ich so kannte.
    Nadia schien das nicht zu bemerken. Sie schaute sich nicht einmal um. Sie wartete einfach. Wie
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