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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere
Autoren: Sarah Fine
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streckte Diane den Kopf herein. Es erinnerte mich an das Gesicht der Richterin, kurz bevor sie mich zurückgeschickt hatte. Ich schauderte.
    »Schatz, es ist schon nach acht. Du kommst zu spät zur Schule, wenn du nicht bald den Hintern hochkriegst. Du kennst die Spielregeln hier im Haus.«
    Mühsam setzte ich mich auf. Sie runzelte besorgt die Stirn. »Geht es dir gut?«
    »Ja«, log ich. »Bestens.«
    »Du hast heute um zwei einen Arzttermin. Ich hole dich von der Schule ab.« Was hieß, sie vertraute nicht darauf, dass ich allein hingehen würde.
    Ich nickte, denn ich wollte kooperieren … bis zu einem gewissen Punkt. Wenn ich von meinem Recht Gebrauch machte, eine körperliche Untersuchung zu verweigern, würde sie sauer sein, aber ich hatte keine Lust, eine Erklärung für meine frischen, glänzenden Narben abzuliefern. Hoffentlich würde ich den Arzt überzeugen können, dass ich geistig gesund war, ohne mich auszuziehen.
    Ich machte mich fertig, fuhr zur Schule, die Musik voll aufgedreht, und versuchte, nicht an Malachi zu denken, an sein Gesicht, als ich meine Dienste im Tausch für seine Freiheit anbot, die er nie bekommen würde. Auch verdrängte ich den Gedanken, was ihm jetzt gerade zustoßen mochte. Ob es mir wohl irgendwie gelingen könnte, in die Stadt zurückzukehren? Aber mir war klar, dass man mir nie erlauben würde, mit ihm zusammen zu sein, wenn ich mir etwas antat. Immerhin wusste ich jetzt, dass es so nicht funktionierte.
    Ich bog auf den Schülerparkplatz ein und blieb noch ein paar Minuten im Auto sitzen. Tegan stellte ihren silbernen BMW ein paar Plätze neben mir ab. Sie stieg aus, vollkommen durchgestylt mit perfekt abgestimmten Accessoires, tänzelte auf eine Gruppe von Nadias anderen Freundinnen zu, ließ sich von ihnen umarmen und traurig anlächeln.
    Dann drehte sie sich um, als hätte sie etwas im Wagen vergessen. Unsere Blicke trafen sich und sie winkte mich herbei. Als neues Alphaweibchen hatte sie anscheinend beschlossen, großzügig Nadias Sozialfall in ihre Obhut zu nehmen.
    Plötzlich war mir alles zu viel. Mit einem, wie ich hoffte, freundlichen Lächeln winkte ich Tegan zu, nahm meinen Rucksack und umrundete das Schulgebäude.
    Auch wenn ich vor einem Jahr aufgehört hatte, jetzt brauchte ich wirklich eine Zigarette.
    Am hinteren Zaun hatten sich eine Menge Jugendliche versammelt, die vor Unterrichtsbeginn heimlich eine rauchten. Ich warf Dreckjeans einen drohenden Blick zu. Er grinste blöd, drehte sich weg und redete leise mit seinen Freunden. Die Versuchung, einen Streit mit ihm anzufangen, war groß, einfach nur um meine Trauer und Wut abzureagieren. Während ich von dem Mädchen neben mir eine Kippe schnorrte, beobachtete ich ihn aufmerksam und schätzte seine Schwachstellen ein.
    »Könnte mir jemand den Weg zur Bibliothek zeigen?«, fragte eine Stimme mit einem harten, präzisen Akzent. Ich wirbelte herum.
    Im Sonnenlicht sah er anders aus.
    Alles an ihm war deutlicher. Sein kantiges Gesicht, seine glänzenden schwarzen Haare, seine abgrundtiefen Augen. Aber er war’s. Er war’s!
    Mit zwei Schritten war ich bei ihm, sprang ihn praktisch an, sodass er rückwärts gegen den Maschendrahtzaun prallte. Ich schlang die Arme um seinen Hals und die Beine um seine Taille und klammerte mich fest, voller Angst, dass er ein Fantasiegebilde wäre und jeden Moment verschwinden könnte. Mit ausgebreiteten Armen packte er den Zaun, damit wir nicht beide auf den Boden rutschten.
    »Verzeihung«, sagte er mit erstickter Stimme. »Aber diese Form der amerikanischen Begrüßung kenne ich noch nicht.«
    Ich sah ihn an. Das war nicht gerade die Reaktion, die ich erwartete. Er runzelte ratlos die Stirn. Ich auch.
    »Malachi?«
    »Ja, ich bin Malachi. Ich bin Austauschschüler.« Er wirkte völlig verblüfft.
    Ich spürte, wie ich blass wurde.
    »Kennst du mich nicht?«, wisperte ich. Das war der grausamste aller kosmischen Späße.
    Noch einen Augenblick lang machte er ein dummes Gesicht, aber dann setzte er sein umwerfendes Lächeln auf und mein Kreislauf kam wieder in Schwung. »Überraschung.«
    Ich gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Du Idiot«, schimpfte ich unter jämmerlichen, kindischen Tränen. Aber ich drückte ihn noch fester an mich.
    Er legte den Arm um mich und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. »In der Sonne bist du noch schöner, Lela.«
    Sein Kuss war süß und wild zugleich und brachte ihm sarkastischen Applaus von den am Zaun herumlungernden Rauchern ein. Mir war
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