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Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3

Titel: Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
Autoren: Piers Anthony
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getan, als zu versuchen, den Leuten das Sterben zu
erleichtern«, sagte Zane. »Ich habe gegen zahlreiche Regeln verstoßen und trotzdem häufig genug
versagt!«
Dann schwang die Fernsehkamera herum und zeigte das Firmament, die wunderhübsche Kuppel des
Erdenhimmels. Von einem Augenblick zum anderen verwandelte sie sich von Tag zu Nacht, und die
Aberzehntausende von Sternen glitzerten, während Engelsheerscharen erschienen, jeder Engel von
einem eigenen Heiligenschein umgeben. Alle applaudierten höflich: der Gruß des Himmels.
Zane hatte den Eindruck, daß einer von ihnen wie seine Mutter aussah, andere dagegen glichen
einigen seiner Klienten.
Nun schwenkte die Kamera in die Tiefe, um die Feuer der Unterwelt zu zeigen, mit ihren
Dämonenscharen, die alle ihre gespaltenen Zungen ausstreckten. Doch dahinter waren, schwach
sichtbar, die verdammten Seelen der Hölle auszumachen, und hier und dort waren verstohlen
aufgerichtete Daumen zu erkennen.
Zane lächelte, als ihn eine Freude durchflutete, die so tief war wie die Ewigkeit selbst. »Danke,
Leute«, sagte er und schaltete den Apparat ab. »Ich werde mich mit dem Applaus einer einzelnen
Dame begnügen.«
Er drehte sich zu Luna um.
»Immer. Ewig«, stimmte sie ihm zu und küßte ihn.
»Aber ich frage mich, was das für eine einmalige Eigenschaft sein soll, die ich angeblich habe?«
fügte er grübelnd hinzu.
»Das ist der Grund, weshalb ich dich liebe«, sagte sie.
Zane, der wieder bei der Arbeit war, sah, daß die Mutter entsetzlich unter ihrem ersten
Trauerschock litt, als sie ihr sterbendes Baby in den Armen hielt. Noch immer mußte er die
gewaltige Warteschlange seiner Klienten bearbeiten, die sich während seines Streiks gebildet
hatte, doch konnte er diese arme Mutter nicht schlimmer leiden lassen, als sie mußte.
Zane stellte sich vor ihr auf. »Frau, erkenne mich«, sagte er sanft.
Sie blickte hoch. Entsetzt klappte sie den Mund auf.
»Fürchte mich nicht«, sagte Zane. »Dein Kind ist unheilbar krank und leidet unter Schmerzen, und
solange es lebt, wird es nie frei davon sein. Es ist am besten, daß wir es von der Last des
Lebens erlösen.«
Protestierend bewegte sie den Mund. »Du... das würdest du nicht sagen, wenn jemand, den du
liebst, sterben müßte!«
»Doch, das würde ich«, sagte er ehrlich. »Ich habe meine eigene Mutter in die Ewigkeit geschickt,
um ihr Leiden zu beenden. Ich verstehe deine Trauer und weiß, daß du recht daran tust, zu
trauern. Aber dein Kind ist das unschuldige Opfer einer schlimmen Tat...« Er wiederholte nicht,
was sie ohnehin schon wußte, daß das Kind nämlich durch eine inzestuöse Vergewaltigung gezeugt
und mit Syphilis geboren war. »... und da ist es besser, für das Kind wie für dich, daß es nie
das Grauen eines solchen Lebens kennenlernen muß.«
Ihre gehetzten Augen blickten zu ihm auf, und sie begann, im Tod eher einen Freund als einen
Feind zu sehen. »Ist... ist es wirklich das beste?«
»Ja, so ist es«, erwiderte der Tod sanft und griff nach der Seele des leidenden Säuglings.
Noch während er sprach, zog er die winzige Seele hervor.
Auch ohne sie vorher zu überprüfen, wußte er, daß sie tatsächlich in den Himmel kommen würde,
denn inzwischen konnte er dergleichen erkennen.
»Du bist gar nicht so, wie ich dich mir vorgestellt habe«, sagte die Frau und erholte sich etwas,
nachdem nun eine Entscheidung gefällt worden war. »Du hast...«, sie stockte und suchte nach dem
passenden Wort. »Mitleid.«
Mitleid. Plötzlich ergab alles ein zusammenhängendes Bild.
Dies war die Eigenschaft, die Zane in das Amt des Todes eingebracht hatte und die diesem zuvor
abgegangen war.
Es war ihm ein gutes Gefühl, zu erkennen, daß die Verzögerungen, deren er sich schuldig gemacht
hatte, die Vorschriften, gegen die er verstoßen hatte, daß sich solche Handlungen auch positiv
anstatt nur negativ deuten ließen. Er sorgte sich um seine Klienten und strebte danach,
innerhalb der Grenzen seines Amtes ihr Bestes zu garantieren. Und er schämte sich auch nicht
mehr, es zuzugeben.
Er wußte genau, daß man ihm nicht wegen seiner Vorzüge dieses Amt verliehen hatte. Doch er hatte
seine eigenen Beschränkungen überwunden, und er erkannte, daß er ab nun einigermaßen
zufriedenstellend arbeiten würde.
»Der Tod kam mit freundlicher Sorge...«, zitierte er und stellte die Uhr für den nächsten
Klienten.
Der Gedanke gefiel ihm.
ENDE
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