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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition)
Autoren: Gabriele Gfrerer
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können wir sie aufhalten.«
    Klara warf einen schnellen Blick auf Lucie und griff nach ihrer Hand. Gemeinsam traten sie vor das Rednerpult und verbeugten sich vor dem Publikum, während der Sanitäter Jonas von der Bühne schob.
    Die Mitglieder der Jury erhoben sich als Erste von ihren Sitzen und applaudierten laut. Wie in einer Welle setzte sich die Bewegung im Saal fort und schon nach wenigen Augenblicken standen alle und trampelten mit den Füßen.
    Vom Lärm erschreckt verkroch sich Methusalem in Klaras Hemdkragen. Ob aus Erleichterung, dass es vorbei war, oder wegen Methusalems buschigem Schwanz, der sie kitzelte – Klara spürte ein Lachen in der Kehle aufsteigen, das sie überrollte. Sie gluckste und kicherte immer noch, als sie und Lucie bereits von ihren Klassenkameraden umringt waren. Jeder wollte ihnen auf die Schulter klopfen oder einen Blick aus nächster Nähe auf die berühmte kleine Maus in Klaras Halsgrube werfen. Methusalem avancierte zum Held des Tages. Und beinahe hatte Klara den Eindruck, dass er die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, genoss. Wie ein Star reckte er die rosa Nase in die Höhe und in seinen schwarzen Kugelaugen spiegelten sich die Blitzlichter von unzähligen Fotoapparaten, die die kleine Gruppe von allen Seiten ablichteten.
    Erst als Klara zwischen Alen und ihrer Mutter im Taxi saß, realisierte sie, dass Lucie und sie nicht nur den Wettbewerb gewonnen hatten, sondern dass sie auf eine viel größere Resonanz gestoßen waren, als sie es sich in ihren kühnsten Vorstellungen erträumt hatten.

_ 42 _

    Die Deutschstunde am nächsten Morgen war ein bisschen anders als sonst. Der Raum brummte von all den Stimmen, die da durcheinanderredeten. Klaras und Lucies Rede hatte die Klasse in zwei Lager gespalten: in diejenigen, die auf der Liste standen, und in die »Normalen«. Wie im gesamtschulischen Schnitt hatten auch in ihrer Klasse mehr als die Hälfte als Babys die Impfung bekommen. Einerseits war dieser Eingriff beunruhigend, andererseits machte er sie auch zu etwas Besonderem.
    Klara war überrascht, dass kaum einer von den Nicht-Geimpften erleichtert wirkte. Im Gegenteil! Sie schienen die anderen um ihren Sonderstatus zu beneiden. Ein diffuser Unmut breitete sich in ihr aus. Und als Sebastian halb im Scherz ankündigte, bei SanaLife um eine Impfung anfragen zu wollen, fuhr sie ihn zornig an. »Du hast ja einen totalen Knall! Findest du das wirklich so verlockend, wie Jonas im Rollstuhl zu enden und dich an nichts aus deinem Leben erinnern zu können?«
    Ihre scharfe Antwort brachte augenblicklich alle anderen Gespräche zum Erliegen.
    Betroffen senkte Sebastian den Blick.
    Frau Schenk durchquerte das Klassenzimmer und legte Klara eine Hand auf die Schulter. »Dein Zorn ist verständlich. Aber mach dir bewusst, dass Sebastian noch nicht Zeit hatte, sich so viele Gedanken darüber zu machen wie du. Wie die meisten von uns weiß er davon erst seit genau einem Tag. Und dass die Möglichkeit auf ein ewiges Leben ihre Verlockung hat, ist nicht zu leugnen.«
    Als sie weitersprach, wendete sie sich an die ganze Klasse. »Überlegen wir einmal, wie viel wir zu geben bereit wären im Austausch für ein paar Jahre mehr – freilich unter der Voraussetzung, diese Zeit bei vollster geistiger und körperlicher Gesundheit verbringen zu können.« Langsam wanderte ihr Blick über die Köpfe der Schüler.
    Klara fühlte sich ertappt. Diesen Aspekt hatte sie bisher ganz außer Acht gelassen. Dass sie womöglich eine wesentlich längere Zeitspanne zur Verfügung hatte als der Durchschnitt, beschleunigte ihren Herzschlag. Sie fühlte sich stark und gesund. Die Nebenwirkungen kannte sie nur aus der Theorie. Plötzlich schien ihr Sebastians Wunsch weit weniger verwerflich als noch vor wenigen Minuten. Sie war froh, dass Frau Schenk das Thema ruhen ließ und Mischko und Rudi zu sich rief. Sie sollten unter den Schülern die beiden großen Stapel Zeitungen verteilen, die sie bei Stundenbeginn in die Klasse mitgebracht hatte.
    In Kürze hatte jeder Schüler mehrere Zeitungen vor sich liegen und immer wieder tönten aufgeregte Rufe durch den Raum. Die gemeinsame Suche nach einem möglichen Medienecho auf Klaras und Lucies gestrigen Auftritt ließ den Riss, der die Klassengemeinschaft bedroht hatte, wieder verschwinden. Frau Schenk saß am Lehrertisch und durchforstete ebenfalls die neuesten Magazine.
    »Ich hab was gefunden! Hier gibt’s einen Artikel über den gestrigen Wettbewerb.« Rudi wedelte
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