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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition)
Autoren: Gabriele Gfrerer
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aus der Sahara zu beziehen. Obwohl Klara das Thema spannend fand und der Junge ein perfektes Englisch sprach, konnte sie sich nicht auf seine Worte konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu ihrem gewagten Vorhaben ab.
    Auch wenn die Redezeit jedes einzelnen Teilnehmers auf zehn Minuten begrenzt war, kroch die Stunde bis zu ihrem Auftritt so langsam dahin, dass ihre Bluse völlig durchgeschwitzt und ihre Fingernägel böse malträtiert waren. Doch in dem Moment, in dem ihre Namen aufgerufen wurden, senkte sich völlige Ruhe über sie. Noch einmal schaute sie zurück. Lucie hatte recht behalten. Er war da. Sie konnte sein blasses Gesicht im Halbdunkel leuchten sehen. Mit der Hand fuhr sie in den Beutel, den sie sich um die Schulter geschlungen hatte. Als sie das weiche Fell unter den Fingern spürte, atmete sie tief durch und griff nach Lucies Hand. Gemeinsam traten sie nach draußen ins Scheinwerferlicht.

    Leise Musik begann zu spielen und das Gemurmel im Publikum verstummte. Zu den ersten Klängen von Queens Who Wants to Live Forever wurde hinter Lucie und Klara Richis lachendes Gesicht auf die Leinwand projeziert.
    »Richard Albrecht, 24. Oktober 1989 bis 25. Oktober 2009. Gestorben an einer Überdosis Substidan.«
    Lucies Stimme zitterte leicht, als sie ihren Text in die gespannte Stille hinein sprach.
    There’s no chance for us , … sang Freddie Mercury, während mit einem Klicken das nächste Foto erschien.
    »Dr. Lukas Neumeier, 27. Januar 1979 bis 2. November 2009. Gestorben an einer Giftinjektion.«
    Klara fühlte seinen durchsichtigen Blick im Rücken. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie an seine fedrigen Haare dachte, die Sommersprossen, die über sein blasses Gesicht verteilt waren. Sie sah wieder seine Augen im Spiegel der S-Bahn-Scheibe vor sich. Spürte seinen Griff, mit dem er sie vor einem Sturz bewahrt hatte. Tränen traten ihr in die Augen. Doch sie schluckte sie hinunter.
    Immer weiter sangen die Musiker von Queen. Immer neue Fotos wechselten auf der Leinwand.
    Simon Berger. Robert Karrer. Silvia Engelbrecht.
    Während Lucie den nächsten Namen vorlas, ließ Klara ihre Blicke über die Zuhörer wandern. Die wachsame Stille im Saal und die angespannten Gesichter machten es deutlich: Schon nach den ersten Minuten hatten sie das Publikum im Griff. Alen streckte den Daumen hoch und Rudi machte mit beiden Zeige- und Mittelfingern das Victory-Zeichen.
    Bald waren die Namen und Gesichter von mehr als der Hälfte der Schüler aus der Karl-Popper-Schule aufgezählt worden.
    Ein irritiertes Murmeln ging durch die Reihen. Einer der Männer von SanaLife griff zu seinem Handy. Ein anderer bewegte sich in Richtung Ausgang.
    »Manche von euch haben sich eben in unserer Aufzählung wiedergefunden. Seid ihr erschrocken? Habt ihr euch gefragt, was das alles zu bedeuten hat?«
    Klara nickte Lucie zu. Gleichzeitig holten sie aus dem Fach unter dem Rednerpult Lukas Neumeiers stark vergrößerte Liste hervor und entrollten sie. Ihre eigenen Namen hatten sie mit Leuchtstift hervorgehoben.
    »Genauso ist es uns auch gegangen, als wir über diese Liste gestolpert sind.« Klara suchte den Blick ihrer Mutter. Anspannung, Besorgnis, aber auch unerschütterliches Vertrauen strömten ihr entgegen. Dankbar hielt sie sich daran fest, solange Lucie sprach.
    »Aber es brauchte einen Überfall, einen Anschlag auf unser Leben und schließlich sogar einen Mord, bis uns klar war, warum unsere Namen auf dieser Liste standen. Und welcher skrupellose Konzern dahintersteckte.«
    Es war so still im Raum, als ob jeder Einzelne die Luft anhalten würde. Klara griff in ihre Umhängetasche. Vorsichtig hob sie Methusalem heraus und hielt das flauschige Tier in die Höhe. Das Raunen im Publikum war von kollektiven Ohs! und Ahs! durchsetzt.
    »Ein süßer Kerl, nicht wahr? Ein richtig kleiner Schatz. Was denkt ihr? Wie alt mag er wohl sein?«
    Zögernd kamen vereinzelte Wortmeldungen.
    »Acht Monate!«
    »Ein halbes Jahr!«
    »Bestimmt nicht älter als ein Jahr!«
    Klara wartete noch ein paar Zurufe ab. Mit gleichbleibendem Lächeln ließ sie sich nicht anmerken, ob eine der Antworten richtig war. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Sorry, aber ihr liegt alle meilenweit daneben. Dieses Tierchen hier ist …« – sie machte eine Pause und schwenkte Methusalem effektvoll von links nach rechts, bevor sie ihren Satz beendete – »… über zwanzig Jahre alt.«
    Sie wartete den Aufruhr ab, den ihre Feststellung ausgelöst hatte,
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