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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition)
Autoren: Gabriele Gfrerer
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Etwas Schwarzes fliegt durch das Bild und zerreißt es.
    Stöhnend greift sich Julian an den Kopf. In seinem Mund schmeckt es nach Dreck und Blut. Er spuckt das Zeug aus. Vor ihm bildet sich ein roter See. So viel Spucke kann kein Mensch der Erde ausspeien! Und dann dieses verdammte Surren. Fliegen! Überall Fliegen. Julian hebt die Hand, um die lästigen Viecher zu verscheuchen. Mitten in der Bewegung stockt er. Sein Arm fällt kraftlos nach unten, sein Magen fährt Achterbahn.
    Aus dem roten See ragt ein Kopf. Glasige Augen stieren ins Nichts. Fliegen umkreisen das kreideweiße Gesicht. Den Mann, der vor Julian liegt, kümmert das nicht mehr. Kein Muskel regt sich, als die von Julian aufgescheuchten Insekten wieder auf der klaffenden Wunde am Hals landen und darauf herumkrabbeln wie auf dem Rand eines Vulkankraters.
    Von Würganfällen geschüttelt presst Julian seine brennenden Handflächen auf den Boden und versucht, sich hochzustemmen. Der Schmerz nimmt ihm die Luft. Seine Arme zittern. Sie können das Gewicht des Körpers nicht tragen und geben nach. Stöhnend sinkt Julian zurück auf den Boden. Er riecht das Blut, hört die Fliegen und hat plötzlich einen irren Gedanken. Vielleicht ist er der Tote. So wie in diesen Filmen, wo die Seele oder der Geist oder was auch immer über dem Körper schwebt und von oben auf sich selbst hinabschaut.
    Aber würde er dann nicht aussehen wie er selbst? Weiß man überhaupt, wie man aussieht, wenn man tot ist? Mam hat ausgesehen wie Mam. Also müsste Julian aussehen wie Julian, wenn er wirklich tot wäre, und nicht wie …
    »Scheiße«, flüstert er und schließt die Augen.
    »Juli!«, schrillt es in seinen Ohren. »Bist du okay?«
    Julian hebt den Kopf und dreht ihn in die Richtung, aus der die Stimmen kommen. Er sieht, wie seine Freunde mitten im Lauf so hart abbremsen, dass ihre Füße über den Bauschutt schlittern.
    Nenad, der bei jeder Gelegenheit flucht wie die Rapper, deren Musik er hört, bleibt mit offenem Mund stehen. Ohne zu blinzeln, fixieren seine Augen die Leiche. Ein paar wilde Herzschläge lang sagt niemand etwas. Dann findet Nenad seine Sprache wieder. »Oh, Mann, warst du das?«, fragt er.
    »Was?«, krächzt Julian.
    »Na, ich meine, bist du auf den Typen draufgefallen?«
    Ist er das? So etwas würde man doch spüren, oder nicht? Außerdem … Julian dreht seinen Kopf und zwingt sich, den Vulkankrater nochmals anzusehen. Nein! Dazu braucht man ein Messer oder sonst einen scharfen Gegenstand! Der Gedanke ist zu viel für seinen Magen. Julian erbricht sich mitten in die Blutlache.
    Dennis stolpert ein paar Schritte zurück, Nenad murmelt etwas Unverständliches und taumelt auf die Mauer zu, wo er sich, heftig atmend, anlehnt und dann langsam auf den Boden rutscht. »Ist … Ist das Hartmann?«, fragt er.
    Julian presst ein heiseres »Ja« über seine Lippen. Er friert trotz der sengenden Hitze, so sehr, dass er zu schlottern beginnt.
    » Der Hartmann?« Panik schwingt in der Stimme von Dennis.
    »Sieht ganz so aus«, antwortet Nenad.
    Dennis fährt sich nervös durch die Haare. »Lasst uns abhauen.«
    »Spinnst du?« Nenad rappelt sich hoch. »Wir rufen die Bullen.«
    »Nach allem, was passiert ist?« Dennis kickt einen Stein gegen die Mauer. »Ich krieg lebenslänglich. Nicht von den Bullen, sondern von meiner Mutter.«
    »Mindestens«, murmelt Nenad. »Trotzdem rufen wir jetzt die Bullen. Sie werden sowieso herausfinden, dass wir hier waren.«
    »Nenad hat recht«, keucht Julian zwischen zwei flachen Atemzügen. »Und ich glaube, wir brauchen einen Krankenwagen.«
    »Wieso? Der Typ ist tot.« Die Stimme von Dennis überschlägt sich. »Der braucht keinen …«
    »Dennis!«, unterbricht Nenad seinen Freund. »Die Ambulanz ist nicht für den da.« Er wirft einen Blick auf die Leiche. »Sondern für Juli.«

2

    Janosch Marek parkt den Wagen auf dem heruntergekommenen Gelände vor der Hartmann-Überbauung.
    »Eine Schweinerei ist das«, brummt Huber neben ihm.
    Marek ist nicht sicher, ob sein Chef damit die Bauruinen meint oder die Tatsache, dass irgendwo in diesem niemals fertiggestellten Gebäudekomplex mit dem unpassenden Namen Sonnweid ein Toter liegt. Er öffnet die Wagentür und sofort schlägt ihm die brütende Hitze entgegen, die das Leben seit Tagen beinahe unerträglich macht.
    Bei einem Gitterzaun wartet ein Jugendlicher auf sie. Er steht unter einem gelben Schild, das davor warnt, die Baustelle zu betreten. Lesen kann man die Warnung allerdings
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